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VfGH: Aufhebung einer Wort- und Zeichenfolge in § 8 Abs. 4 AsylG 2005

Unsachliche Ungleichbehandlung von subsidiär Schutzberechtigten gegenüber anderen gemäß § 45 NAG für einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ anspruchsberechtigten Personengruppen


Mit Erkenntnis vom 18. September 2025, G 57/2025 ua, hat der VfGH die Wort- und Zeichenfolge „, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist“ in § 8 Abs. 4 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 68/2013, wegen Verstoßes gegen das Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander gemäß Art. I Abs. 1 Bundesverfassungsgesetz BGBl. 390/1973 als verfassungswidrig aufgehoben.

Das Erkenntnis beruht auf einem Antrag des Verwaltungsgerichtes Wien auf Aufhebung des § 8 Abs. 4 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 68/2013, sowie anderer näher bezeichneter Bestimmungen des AsylG 2005 und des NAG. Das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien betraf die Abweisung des Antrages eines subsidiär Schutzberechtigten auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt – EU“ nach dem NAG. Die Abweisung erfolgte mangels Erfüllung der besonderen Erteilungsvoraussetzung eines ununterbrochenen rechtmäßigen Aufenthalts in den letzten fünf Jahren. Der Antragsteller hatte zwar am 4. August 2023 – nach etwa 16 Jahren rechtmäßigen Aufenthalts in Österreich und 7,5 Monate vor Ablauf seiner Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter – den Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt – EU“ gestellt. Er hatte es jedoch verabsäumt, zusätzlich einen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu stellen. Da diese Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 dritter Satz AsylG 2005 nur im Fall eines rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrages bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechtes weiter besteht, war der Aufenthalt des Antragstellers am 23. September 2024, als die Behörde über den Antrag nach dem NAG entschied, nicht (mehr) rechtmäßig.

Der VfGH hält in seiner Begründung zunächst fest, dass dem Gesetzgeber grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum in der Frage zukommt, wem er den Status eines dauerhaft Aufenthaltsberechtigten zuerkennt und somit auch, wem der Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ erteilt werden soll (VfSlg. 19.732/2013, 20.282/2018). Jedoch wird es subsidiär Schutzberechtigten gegenüber anderen vergleichbaren anspruchsberechtigten Personengruppen erschwert, die Erteilungsvoraussetzung eines fünfjährigen ununterbrochenen und rechtmäßigen Aufenthalts zu erfüllen, da der durchgehende rechtmäßige Aufenthalt „vernichtet“ wird, selbst wenn die verspätete Antragstellung auf Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung auf ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis zurückgeht und kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens vorliegt. Im Gegensatz dazu besteht für sonstige anspruchsberechtigte Personen entweder die Möglichkeit, eine verspätete Antragstellung mittels einer „Quasi-Wiedereinsetzung“ zu sanieren (s dazu [§ 44a NAG iVm] § 24 Abs. 2 NAG bzw. § 59 Abs. 3 AsylG 2005), oder deren rechtmäßiger und ununterbrochener Aufenthalt bleibt auch nach Ende der Gültigkeitsdauer des letzten Aufenthaltsrechtes erhalten, wenn ein (Verlängerungs-)Antrag binnen sechs Monaten nach Ablauf der Gültigkeitsdauer gestellt wird (s dazu § 21 Abs. 6 NAG iVm § 21 Abs. 2 Z 2 NAG). Ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung ist für den VfGH nicht ersichtlich und ist auch im Verfahren nicht hervorgekommen. Der Gesetzgeber hat somit subsidiär Schutzberechtigte innerhalb der gemäß § 45 NAG für einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ anspruchsberechtigten Personengruppen ohne sachlichen Grund benachteiligt und damit die Grenzen seines Gestaltungsspielraumes überschritten.

Nach Aufhebung der Wortfolge „, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist“ in § 8 Abs. 4 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 68/2013, besteht die Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter auch bei verspätet gestellten Anträgen auf Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung fort. In diesem Fall ist auf eine Kontinuität der verlängerten Aufenthaltsberechtigung zu schließen und die Rechtzeitigkeit des verspätet gestellten Verlängerungsantrages ex lege zu fingieren (vgl. etwa VwGH 20.11.2008, 2006/09/0213; 5.5.2022, Ra 2018/22/0201).

Der VfGH hat demgemäß diese Wortfolge als verfassungswidrig aufgehoben und den Hauptantrag des Verwaltungsgerichtes Wien, soweit er sich gegen den verbleibenden Teil des § 8 Abs. 4 AsylG 2005 und gegen näher bezeichnete Bestimmungen des AsylG 2005 und des NAG richtete, abgewiesen.

Bearbeiterin: Dr.in Martina Lais


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Kommentare

One thought on "VfGH: Aufhebung einer Wort- und Zeichenfolge in § 8 Abs. 4 AsylG 2005"

  1. Iris sagt:

    Leider zeigt der VfGH mit dieser Entscheidung (wieder einmal?), dass ihn das Unionsrecht nicht wirklich interessiert.
    Zitat: „Der VfGH hält in seiner Begründung zunächst fest, dass dem Gesetzgeber grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum in der Frage zukommt, wem er den Status eines dauerhaft Aufenthaltsberechtigten zuerkennt und somit auch, wem der Aufenthaltstitel ‚Daueraufenthalt – EU‘ erteilt werden soll“.
    Das schon deswegen unzutreffend, weil dieser Aufenthaltstitel durch die Vorgaben der DaueraufenthaltsRL (RL 2003/109/EG idF RL 2011/51/EU) weitgehend determiniert ist. Dass sich der österr. Gesetzgeber nicht (immer) an diese Vorgaben hält, ist ein anderes Thema.
    Art. 4 Abs. 1 RL 2003/109/EG sieht vor: „Die Mitgliedstaaten erteilen Drittstaatsangehörigen, die sich unmittelbar vor der Stellung des entsprechenden Antrags fünf Jahre lang ununterbrochen rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufgehalten haben, die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten.“
    Für die Beurteilung, ob die Voraussetzung des 5-jährigen ununterbrochenen rechtmäßigen Aufenthalts vorliegt, kommt es demnach auf den Zeitpunkt der Antragstellung an. Für die Erfüllung dieses Kriteriums war es daher im Anlassfall irrelevant, dass der Antragsteller nach seiner Antragstellung die Verlängerung seiner nach dem AsylG 2005 zu erteilenden AB unterlassen hatte (weil er dachte, es sei schon der Antrag auf den Aufenthaltstitel Daueraufenthalt – EU ausreichend).
    Die unionsrechtlich gebotene unionsrechtskonforme Interpretation des § 45 NAG hätte demnach zum selben Ergebnis geführt, ohne dass eine Anwendung des § 8 Abs. 4 AsylG 2005 hätte vorgenommen werden müssen. Das aber wiederum bedeutet, letztere Bestimmung war nicht präjudiziell.
    Ob der zwischenzeitig eingetretene unrechtmäßige Aufenthalt aus anderen Gründen als der Erfüllung der 5-Jahres-Frist der Erteilung des Aufenthaltstitels entgegen gestanden wäre, ist dann ein anderes Thema (auf das sich der VfGH aber nicht bezogen hat). Auch dies wäre vermutlich bei unionsrechtskonfomer Sichtweise (und unter Beachtung der Rsp. des EuGH zur RL 2003/109) der Erteilung nicht entgegen gestanden. Aber das hier noch zu verbreitern, würde den Rahmen hier sprengen.
    Es bleibt damit letztlich aber ein großes Unwohlsein, dass ein Höchstgericht offenbar ein Ergebnis errichen wollte und dabei in seinen Überlegungen in einem Tunnelblick verhaftet geblieben und nicht „nach links und auch nicht nach rechts geschaut“ hat.
    Der VfGH täte aber gut daran, bei der Interpretation nationaler einfachgesetzlicher Vorschriften immer auch das Unionsrecht im Blick zu behalten.

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