VfGH/Achim Bieniek
6. November 2024 von Blog Asyl in Rechtsprechung
Nach den Erkenntnissen zu E 2125/2024 und E 2483/2024 vom 3. Oktober 2024 stellt es eine willkürliche Handhabung des Verfahrensrechts dar, wenn eine beschwerdeführende Partei ohne ihre amtswegig beigegebene Rechtsvertretung der BBU GmbH zur mündlichen Verhandlung erscheint und das Gericht die Partei nicht ausdrücklich dazu befragt, ob die mündliche Verhandlung ohne Anwesenheit seiner Rechtsvertretung durchgeführt werden kann. Dies gilt auch dann, wenn die BBU GmbH das Gericht zuvor schriftlich darüber informiert hat, dass die beschwerdeführende Partei keinen Einwand gegen die Durchführung der mündlichen Verhandlung in Abwesenheit seiner Rechtsvertretung hat.
VfGH/Achim Bieniek
21. Oktober 2024 von Blog Asyl in Rechtsprechung
Mit Erkenntnis vom 2. Oktober 2024, E 3587/2023, hat der VfGH die Beschwerde eines syrischen Staatsangehörigen abgewiesen, dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, gegen den eine Rückkehrentscheidung erlassen und dessen Abschiebung für zulässig erkannt worden war. Das BVwG hat aus Sicht des VfGH vor dem Hintergrund der Länderberichte und der konkreten individuellen Umstände des Beschwerdeführers vertretbar begründet, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Syrien (insbesondere) keine reale Gefahr einer Verletzung in seinen Rechten gemäß Art. 2 und 3 EMRK droht.
Harald A. Jahn
8. Oktober 2024 von Blog Asyl in Rechtsprechung
Das BVwG ersuchte den EuGH um Vorabentscheidung über die Frage, ob Art 9 Abs. 2 lit. e der Statusrichtlinie (StatusRL) dahingehend auszulegen sei, dass die Möglichkeit der Zahlung einer Gebühr, die den Zahlenden von der Verpflichtung zur Ableistung eines Militärdienstes befreit, das Vorliegen einer Verfolgungshandlung ausschließt, wenn die Zahlung der Gebühr ein Mittel darstellt, um einer Einziehung zum Militärdienst zu entgehen.
4. Oktober 2024 von Blog Asyl in Rechtsprechung
EuGH: Maßnahmen der Taliban gegen afghanische Frauen und Mädchen stellen Verfolgungshandlungen dar
Die Kumulierung von frauendiskriminierenden Maßnahmen durch das Taliban-Regime stellt eine Verfolgungshandlung dar. Im Fall von afghanischen Frauen, genügt es, wenn Mitgliedstaaten bei der Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz lediglich das Geschlecht und die Staatsangehörigkeit berücksichtigen.
VfGH/Achim Bieniek
4. Oktober 2024 von Blog Asyl in Rechtsprechung
Mit Erkenntnis vom 16. September 2014, E 1046/2024, hat der VfGH der Beschwerde einer trans*Frau mit chinesischer Staatsbürgerschaft stattgegeben, da das BVwG sich nicht hinreichend mit eigenen wesentlichen Ermittlungsergebnissen (insbesondere zur Meinungs- und Pressefreiheit und zur Situation von Personen, die sich für LGBTIQ-Angelegenheiten einsetzen) in der Volksrepublik China auseinandergesetzt bzw. aus diesen Schlüsse gezogen hat, die mit den Ermittlungsergebnissen nicht denkmöglich vereinbar sind.
Harald A. Jahn
19. August 2024 von Blog Asyl in Rechtsprechung
„Ungeachtet der – für das Bundesverwaltungsgericht derzeit bloß entfernten – Möglichkeit in der Herkunftsregion direkt oder indirekt von Kriegsfolgen betroffen zu sein, besteht für die Beschwerdeführerin nach der derzeitigen niedrigen Gefahrenlage in westlich gelegenen Landesteilen kein reales Risiko der Verletzung der durch Art. 2 und 3 EMRK garantierten Rechte.“
19. Juli 2024 von Blog Asyl in Rechtsprechung
Die Flüchtlingsanerkennung durch einen EU–Mitgliedstaat entfaltet für andere Mitgliedstaaten Bindungswirkung und darf durch eine Auslieferung nicht faktisch übergangen werden. Erst nach einem Informationsaustausch der beiden Mitgliedstaaten, einer Aberkennung des Flüchtlingsstatus und einer Überprüfung, dass im Fall der Auslieferung kein ernsthaftes Risiko der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht wäre die Auslieferung zulässig.
Harald A. Jahn
15. Juli 2024 von Blog Asyl in Rechtsprechung
Nach der Überzeugung des BVwG könnte die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr nach China keine öffentlich wahrnehmbare Glaubensbetätigung vornehmen, ohne mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit von im Rahmen des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK relevanten Verfolgungsmaßnahmen betroffen zu sein. Im Falle der Glaubensbetätigung in der Öffentlichkeit, wie etwa der Teilnahme an öffentlichen Gottesdiensten oder der Vornahme von Gebeten in Gemeinschaft mit anderen oder gar im Falle des Versuches, andere von ihrer religiösen Anschauung überzeugen zu wollen, würde sich die Beschwerdeführerin der beachtlichen Gefahr staatlicher Willkürmaßnahmen aussetzen.
VfGH/Achim Bieniek
9. Juli 2024 von Blog Asyl in Rechtsprechung
Mit Erkenntnis vom 13. Juni 2024, E 746/2024 hat der VfGH die Beschwerde eines afghanischen Staatsangehörigen abgewiesen, dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, gegen den eine Rückkehrentscheidung erlassen, dessen Abschiebung für zulässig erkannt und dem eine 14-tägige Frist zur freiwilligen Ausreise gesetzt worden war. Das BVwG hat aus Sicht des VfGH vor dem Hintergrund der Länderinformationen und der konkreten individuellen Umstände des Beschwerdeführers vertretbar begründet, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan (insbesondere) keine reale Gefahr einer Verletzung in seinen Rechten gemäß Art. 2 und 3 EMRK droht.
Harald A. Jahn
23. Mai 2024 von Blog Asyl in Rechtsprechung
Dem etwa 2,5-jährigen Drittbeschwerdeführer würde im Falle einer Rückkehr in die Republik Moldau (im besprochenen Erkenntnis als „Moldawien“ bezeichnet) im gesamten Staatsgebiet eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK drohen, da er ohne seine Eltern in die Republik Moldau zurückkehren müsste und deshalb Gefahr laufen würde, in einem Kinderheim aufzuwachsen und einem erhöhten Risiko von sexuellem Missbrauch, physischer und psychischer Gewalt, Verwahrlosung sowie Kinderarbeit ausgesetzt zu sein.
Harald A. Jahn
23. April 2024 von Blog Asyl in Rechtsprechung
„Eine auf das gesamte Staatsgebiet bezogene ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Beschwerdeführers als Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts liegt angesichts der sich aus den Länderberichten ergebenden aktuellen Sicherheitslage in Afghanistan daher nicht vor. […] Baghlan, die Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers, [ist] jeweils in (IPC) Stufe 3 eingeordnet. […] Der volljährige Beschwerdeführer ist gesund, arbeitsfähig und hat den weit überwiegenden Teil seines bisherigen Lebens in Afghanistan verbracht, dort eine zwölfjährige Schuldbildung absolviert und Berufserfahrung als Taxilenker, sodass er seinen Lebensunterhalt im Falle seiner Rückkehr durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit wieder – wie vor seiner Ausreise – bestreiten könnte. Er verfügt im Herkunftsland über ein tragfähiges weites familiäres Netzwerk dergestalt, dass zumindest sein Vater und Geschwister sowie mehrere Onkel und Tanten in Baghlan leben und es besitzt seine Familie in seinem Heimatdorf in Baghlan ein Haus sowie ein Geschäft und hat auch Geld. […] dass die persönliche Lebenssituation der Familie des Beschwerdeführers sich weit besser gesichert dargestellt hat, als es der Einstufung seiner Herkunftsregionen Baghlan in der Integrated Food Security Phase Classification (IPC) in der Phase 3 (Krise) entspricht.“
10. April 2024 von Blog Asyl in Rechtsprechung
Mit Urteil vom 29. Februar 2024, Rechtssache C-222/22, entschied der EuGH über ein Vorabentscheidungsersuchen des VwGH zur Auslegung von Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie), das aus Anlass des § 3 Abs. 2 zweiter Satz AsylG 2005 gestellt wurde, demzufolge bei in einem Folgeantrag geltend gemachten subjektiven Nachfluchtgründen „in der Regel“ kein Asyl zuerkannt werde, außer es handle sich um fortgesetzte Nachfluchtaktivitäten.
VfGH/Achim Bieniek
28. März 2024 von Blog Asyl in Rechtsprechung
VfGH: Asylrelevanz der Militärdienstverweigerung eines russischen Militärarztes
Der VfGH hat sich zuletzt wiederholt mit Fragen der Wehrdienstverweigerung beschäftigt, insb. in Zusammenhang mit dem Herkunftsstaat Syrien. Aus Anlass der Beschwerde eines russischen Staatsangehörigen mit besonderem Risikoprofil hat sich der VfGH in der Entscheidung E 3529/2023 ua. erstmals mit der Asylrelevanz der drohenden Einberufung in die Streitkräfte der Russischen Föderation und der daran anknüpfenden Gefahr eines Einsatzes im Krieg in der Ukraine auseinandergesetzt.
15. März 2024 von Blog Asyl in Rechtsprechung
Der EuGH hat sich am 29. Februar 2024 in einem niederländischen Vorabentscheidungsverfahren in der Rechtssache C-392/22 zum Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens im Rahmen der Überstellung eines Asylwerbers nach den Vorschriften der Dublin III-VO sowie zum Beweismaßstab für die tatsächliche Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung infolge systemischer Schwachstellen – Praktiken der pauschalen Zurückschiebung („pushback“) und der Inhaftnahme an Grenzübergangsstellen – geäußert.
VfGH/Achim Bieniek
12. März 2024 von Blog Asyl in Rechtsprechung
VfGH: Die BBU GmbH kann unbegleitete minderjährige Asylwerber:innen vor dem VfGH vertreten
Minderjährige Asylwerber:innen ohne Obsorgeträger werden im Verfahren vor dem BFA und dem BVwG von der BBU GmbH als Rechtsberaterin vertreten (§ 10 Abs. 3 und 6 BFA‑VG; § 2 Abs. 1 Z 2 BBU‑G). In seinem Beschluss vom 1. März 2024, E 345/2024, hat der VfGH nun klargestellt, dass sich diese Vertretungsbefugnis der BBU GmbH auch auf das Verfahren vor dem VfGH erstrecken kann, wenn für den Minderjährigen noch kein Obsorgeträger als gesetzlicher Vertreter bestellt worden ist.
23. Februar 2024 von Blog Asyl in Rechtsprechung
Entscheidungen des EuGH können einen für Folgeanträge relevanten neuen Umstand bzw. ein neues Element darstellen, selbst wenn sich das Urteil auf die Auslegung einer EU-Regelung, die bei Erlass einer Entscheidung über einen früheren Antrag bereits in Kraft war, beschränkt. Voraussetzung ist aber, dass die Entscheidung „erheblich zu der Wahrscheinlichkeit beiträgt“, dass der Antragsteller Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder subsidiären Schutzes hat.
8. Februar 2024 von Blog Asyl in Rechtsprechung
VwG Wien: Geldersatz wegen Obdachlosigkeit infolge nicht gewährter Grundversorgung
Das VwG Wien setzte sich in VGW-101/032/9044/2023 mit einem Antrag eines obdachlosen Asylwerbers auf Geldersatz für faktisch vorenthaltende Leistungen aus der Wiener Grundversorgung auseinander. Dabei kommt das Gericht zum Ergebnis, dass ein Anspruch auf Leistungen aus der Wiener Grundversorgung im Lichte der Aufnahmerichtlinie und der Rechtsprechung des VwGH nach Zulassung zum Asylverfahren bestand. Für die Zeit, in der nicht geleistet wurde, bestand ein Anspruch auf Geldersatz iHd Mindestsicherung.
1. Februar 2024 von Blog Asyl in Rechtsprechung
Auch der volljährigen Schwester eines unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings, die aufgrund einer schweren Krankheit vollständig und dauerhaft auf die Unterstützung ihrer Eltern angewiesen ist, muss ein Aufenthaltstitel erteilt werden, wenn eine entsprechende Weigerung dazu führen würde, dass diesem Flüchtling das Recht auf Familienzusammenführung mit seinen Eltern genommen würde.
18. Januar 2024 von Blog Asyl in Rechtsprechung
EuGH: Asylrelevanz geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen
In seinem Urteil vom 16.1.2024, C-621/21, Rs. WS beleuchtete der EuGH aus Anlass eines bulgarischen Vorabentscheidungsersuchen erstmals Fragen im Zusammenhang mit geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen, einschließlich häuslicher Gewalt und der Drohung mit einem „Ehrenverbrechen“, unter dem Aspekt von Asyl und subsidiärem Schutz. Darin traf er einerseits grundlegende Aussagen zur nach Art. 9 Abs. 3 StatusRL erforderlichen Verknüpfung im Kontext privater Verfolgung, andererseits aber auch eine Vielzahl von speziell auf Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt bezogenen Aussagen, wie etwa zur Maßgeblichkeit des Übereinkommens von Istanbul für die Auslegung der StatusRL oder zu den Begriffen der „bestimmten sozialen Gruppe“ und des „ernsthaften Schadens“.
©VfGH/Achim Bieniek
28. Dezember 2023 von Blog Asyl in Rechtsprechung
Mit Erkenntnis vom 14. Dezember 2023, G 328-335/2023, hat der VfGH die mit Beschluss vom 13. Dezember 2022 amtswegig in Prüfung gezogenen Regelungen des BBU-Errichtungsgesetzes (BBU‑G) sowie des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), die der BBU GmbH und ihren Rechtsberatern die Aufgabe der Rechtsberatung und -vertretung im Asylverfahren zuweisen, wegen Verstoßes gegen Art. 47 GRC als verfassungswidrig aufgehoben. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. Juni 2025 in Kraft. Die vorläufigen Bedenken des VfGH betreffend einen Verstoß gegen Art. 20 Abs. 2 B‑VG haben sich als nicht zutreffend erwiesen.
Harald A. Jahn
29. November 2023 von Blog Asyl in Rechtsprechung
BVwG: Abweisung des Status des Asylberechtigten – Syrien
„[…] ausgeführt, dass es dem Beschwerdeführer als männlichem, im wehrdienstpflichtigen Alter befindlichem Syrer mit Aufenthalt außerhalb Syriens offenstehe, sich als alternative Möglichkeit zur bloßen Verweigerung der Ableistung seines Wehrdienstes bei der SAA, die zur (unverhältnismäßigen) Strafverfolgung führen würde, durch Leistung einer im syrischen Wehrrecht vorgesehenen Befreiungsgebühr (ohne Pönalcharakter) von einer Einziehung zum Wehrdienst bei der SAA zuverlässig zu befreien. […] Nach Ansicht des BVwG unterstelle das syrische Regime dem „üblichen“ Wehrdienstverweigerer durch Ausreise und Aufenthalt im Ausland nach den näher zitierten Länderberichten grundsätzlich keine oppositionelle Gesinnung.“
©VfGH/Achim Bieniek
28. November 2023 von Blog Asyl in Rechtsprechung
Der VfGH hat sich im heurigen Jahr in mehreren Fällen mit den Anforderungen des § 20 AsylG 2005 auseinandergesetzt. Nach dieser Bestimmung ist ein Asylwerber, der seinen Antrag auf internationalen Schutz mit Eingriffen in seine sexuelle Selbstbestimmung begründet, von einem Organwalter bzw. Richter desselben Geschlechts einzuvernehmen, sofern er nichts anderes verlangt.
17. November 2023 von Blog Asyl in Rechtsprechung
Mit Urteil vom 5. Oktober 2023 entschied der EuGH in der Rechtssache C-294/22 über ein Vorabentscheidungsersuchen im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen SW und dem Office français de protection des réfugiés et apatrides (OFPRA, Französisches Amt für den Schutz von Flüchtlingen und Staatenlosen), über die Frage ob eine mangelnde Gesundheitsversorgung durch UNRWA zu einem Wegfall des Schutzes bzw. Beistands der Organisation iSd Art 12 Abs. 1 lit 1 Satz 2 Richtlinie 2011/95 führen kann.
OGH
6. Oktober 2023 von Blog Asyl in Rechtsprechung
OGH: Pflegegeld für Vertriebene
Mit Beschluss vom 22.8.2023 entschied der Oberste Gerichtshof, dass Personen, die vorübergehenden Schutz nach der MassenzustromRL genießen, bei Erfüllen aller Anspruchsvoraussetzungen, Pflegegeld beziehen können.