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BVwG: Mitteilung über die Einleitung eines Aberkennungsverfahrens ist kein Bescheid

BVwG 23.05.2025, W175 2262032-2/5E


Es ist somit nicht davon auszugehen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Erlassung eines Bescheides gegenüber dem Beschwerdeführer beabsichtigt hat, zumal auch in § 7 Abs. 2a letzter Satz AsylG 2005 explizit festgehalten wird, dass dem Asylberechtigten die Einleitung des Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten formlos mitzuteilen ist.

Dem Beschwerdeführer, einem syrischen Staatsangehörigen, wurde im Beschwerdeweg mit Erkenntnis des BVwG vom 30.10.2023, W131 2262032-1/10E, gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 30.01.2025 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass ein Aberkennungsverfahren gem. § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten eingeleitet worden sei.

Am 27.02.2025 brachte der Beschwerdeführer eine „Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 30.01.2025, mit dem gem. § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten eingeleitet worden sei“, ein.

Am 27.03.2025 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Einstellung des Aberkennungsverfahrens sowie einen Antrag auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 12.03.2025 wies das BFA die Beschwerde zurück.

Am 02.04.2025 wurde beim BFA gegen die Beschwerdevorentscheidung vom 12.03.2025 ein Vorlageantrag gem. § 15 VwGVG an das BVwG eingebracht.

Mit Beschluss des BVwG vom 23.05.2025, W175 2262032-2/5E, wurde die am 27.02.2025 eingebrachte Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen.

Das BVwG führte in seiner rechtlichen Beurteilung aus, jeder Bescheid sei gem. § 58 Abs. 1 AVG ausdrücklich als solcher zu bezeichnen und habe den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung zu enthalten.

Es hielt unter näher zitierter Rechtsprechung des VwGH fest, Bescheide seien individuelle, hoheitliche Erledigungen einer Verwaltungsbehörde, durch die in bestimmten Verwaltungssachen in einer förmlichen Weise über Rechtsverhältnisse materiell-rechtlicher oder formell-rechtlicher Art abgesprochen werde. Enthalte eine an eine bestimmte Person gerichtete Erledigung die Bezeichnung der Behörde, den Spruch und die Unterschrift oder auch die Beglaubigung, dann sei das Fehlen der ausdrücklichen Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung unerheblich. Auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid könne verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergebe, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt habe, sondern auch, dass sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend, eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden habe. Das Erfordernis, dass ein Bescheid einen Spruch enthalten müsse, sei nicht streng formal auszulegen; vielmehr sei der normative Abspruch auch aus der Formulierung erschließbar, doch müsse sich der Wille der Behörde, in einer Verwaltungssache hoheitlich abzusprechen, eindeutig aus der Erledigung ergeben. Aus der Erledigung müsse der objektiv erkennbare Wille der Behörde hervorgehen, gegenüber einer individuell bestimmten Person die normative Regelung einer konkreten Verwaltungsangelegenheit zu treffen. Auch formlose Schreiben könnten daher Bescheide sein. Das Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung sei für den Bescheidcharakter einer behördlichen Erledigung ebenso wenig entscheidend wie eine Gliederung dieser Erledigung nach Spruch und Begründung.

Das BVwG kam zu der Einschätzung, die in Beschwerde gezogene Mitteilung des BFA vom 30.01.2025 weise nicht die in § 58 Abs. 1 AVG normierten Kriterien auf – sie sei weder ausdrücklich als „Bescheid“ bezeichnet, noch enthalte sie einen Spruch bzw. eine Rechtsmittelbelehrung.

Es sei daher zu überprüfen, ob diese Erledigung nach ihrem deutlich erkennbaren, objektiven Gehalt eine Verwaltungsangelegenheit gegenüber individuell bestimmten Personen in einer der Rechtskraft fähigen Weise normativ regle, also für den Einzelfall Rechte oder Rechtsverhältnisse bindend gestalte oder feststelle. Bei der Beurteilung, ob dies der Fall sei, sei allenfalls auch darauf abzustellen, ob die Behörde verpflichtet sei, einen Bescheid zu erlassen.

Dies sei bei der angefochtenen Erledigung nicht der Fall:

Im Schreiben des BFA vom 30.01.2025 werde dem Beschwerdeführer lediglich mitgeteilt, dass gegen ihn ein Aberkennungsverfahren gem. § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten eingeleitet worden sei, da sich aufgrund des Regimewechsels in seinem Herkunftsstaat Syrien die Umstände bzw. Voraussetzungen, die zur Zuerkennung seines Schutzstatus geführt hätten, wesentlich geändert hätten. Das BFA hole aktuell Informationen zur allgemeinen Lage in Syrien ein und werde den Beschwerdeführer dann auffordern, dazu und zu seinen persönlichen Umständen Stellung zu nehmen. Dem Beschwerdeführer sei zudem mitgeteilt worden, dass er weder auf dieses Schreiben antworten noch mit der Behörde in Kontakt treten müsse bzw. dass er bis zur rechtskräftigen Beendigung oder Einstellung des Aberkennungsverfahrens jedenfalls zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei.

Aus der Erledigung ergebe sich somit der objektiv erkennbare Wille der Behörde, gegenüber einer individuell bestimmten Person – dem Beschwerdeführer – zu diesem Zeitpunkt eben (noch) keine normative Regelung einer konkreten Verwaltungsangelegenheit zu treffen, sondern in Folge ein entsprechendes gesetzlich geregeltes Verfahren zu führen.

Es sei somit nicht davon auszugehen, dass das BFA die Erlassung eines Bescheides gegenüber dem BF beabsichtigt habe, zumal auch in § 7 Abs. 2a letzter Satz AsylG 2005 explizit festgehalten werde, dass dem Asylberechtigten die Einleitung des Verfahrens zur Aberkennung dieses Status formlos mitzuteilen sei.

Dies entspreche auch Art. 45 Abs. 1 lit. a Verfahrens-RL (2013/32/EU), wonach die betroffene Person schriftlich davon in Kenntnis zu setzen sei, dass die zuständige Behörde den Anspruch auf internationalen Schutz überprüfe und aus welchen Gründen eine solche Überprüfung stattfinde.

Dem sei die belangte Behörde mit der Mitteilung vom 30.01.2025 nachgekommen.

In weiterer Folge – was jedoch nicht mehr Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sei – wäre dem Beschwerdeführer gem. Art. 45 Abs. 1 lit. b Verfahrens-RL in einer persönlichen Anhörung gem. Art. 12 Abs. 1 lit. b und gem. den Art. 14-17 oder in einer schriftlichen Erklärung Gelegenheit zu geben, Gründe vorzubringen, die dagegen sprächen, ihm den internationalen Schutz abzuerkennen, worauf der Beschwerdeführer in der Mitteilung vom 05.03.2025 ebenfalls hingewiesen worden sei. Erst danach hätten die Mitgliedstaaten gem. Art. 45 Abs. 3 Verfahrens-RL sicherzustellen, dass die Entscheidung der zuständigen Behörde, den internationalen Schutz abzuerkennen, schriftlich ergehe. Diese Entscheidung habe dann eine sachliche und rechtliche Begründung sowie eine schriftliche Rechtsbehelfsbelehrung zu enthalten.

Aus Art. 45 Abs. 1 lit. a i.V.m. Abs. 3 Verfahrens-RL ergebe sich somit entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht keineswegs eine erforderliche Bescheidqualität bereits der Mitteilung i.S.d. Art. 45 Abs. 1 lit. a Verfahrens-RL, sondern könne diese, bzw. das Fehlen derselben, gegebenenfalls im Rahmen einer Beschwerde gegen eine letztlich ergehende Entscheidung i.S.d. Art. 45 Abs. 3 Verfahrens-RL beanstandet werden.

Im Anschluss daran zählte das BVwG – unter näher zitierter Rechtsprechung des VfGH bzw. VwGH – diverse behördliche Schreiben, etwa die Information über den Termin einer geplanten Außerlandesbringung, auf, denen jeweils die Bescheidqualität abgesprochen worden sei.

Die Einschätzung hinsichtlich des Nichtvorliegens eines Bescheides in Bezug auf die Mitteilung über die Einleitung eines Aberkennungsverfahrens werde nach Ansicht des BVwG zudem durch den Umstand untermauert, dass nach der Rechtsprechung des VfGH die Altersfeststellung im Rahmen des Asylverfahrens „lediglich“ als Verfahrensanordnung zu qualifizieren sei.

Wenn daher sogar die Altersfeststellung im Asylverfahren, die gewisse verfahrensrechtliche Folgen, etwa in Form des Verlusts des gesetzlichen Vertreters, nach sich ziehen könne, „lediglich“ als nicht gesondert bekämpfbare Verfahrensanordnung zu qualifizieren sei, könne nach Einschätzung des BVwG nichts Anderes für die schlichte Einleitung eines Aberkennungsverfahrens i.S.d. § 7 AsylG 2005 gelten.

Es sei somit festzuhalten, dass die Erledigung des BFA vom 30.01.2025 nicht als Bescheid, sondern als Verfahrensanordnung i.S.d. § 63 Abs. 2 AVG zu qualifizieren sei, weshalb sie erst gegen den die Sache erledigenden Bescheid – also den Bescheid über die Aberkennung des Status des Asylberechtigten – angefochten werden könne.

An dieser Einschätzung würden auch die Ausführungen in der Beschwerde nichts zu ändern vermögen, wonach der Einleitung eines bestimmten Verfahrens Bescheidcharakter zukommen müsse, wenn daran in anderen Rechtsvorschriften bestimmte Rechtsfolgen geknüpft seien bzw. damit die rechtliche Voraussetzung für weitere Verwaltungsakte geschaffen werde.

Selbst wenn aufgrund des gegen den Beschwerdeführer eingeleiteten Aberkennungsverfahrens etwa im Falle der hypothetischen Stellung eines Antrags auf Einreise durch Familienangehörige gem. § 35 Abs. 4 Z 1 AsylG 2005 eine negative Wahrscheinlichkeitsprognose zu ergehen habe, was in weiterer Folge die Abweisung eines solchen Antrags nach sich ziehen würde, sei festzuhalten, dass dies primär die Familienangehörigen des Beschwerdeführers beträfe, denen selbst in einem der Mitteilung folgenden Aberkennungsverfahren keine Parteistellung zukäme und gegenüber welchen selbst in einer nachfolgenden negativen Entscheidung die belangte Behörde keine zu begründende normative Regelung zu treffen hätte.

Auch der Verweis in der Beschwerde auf ein hypothetisches Verleihungshindernis im Verfahren zur Erlangung der Staatsbürgerschaft übersteige den Rahmen des objektiv erkennbaren Willens der Behörde, gegenüber einer individuell bestimmten Person die normative Regelung einer konkreten Verwaltungsangelegenheit (nämlich der Aberkennung des Status eines Asylberechtigten) zu treffen, um der Erledigung zwingend Bescheidcharakter zu verleihen.

Die gegenständliche Beschwerde gegen die Mitteilung über die Einleitung eines Aberkennungsverfahrens i.S.d § 7 Abs. 2a AsylG 2005 sei somit nicht gegen einen Bescheid i.S.d. § 58 AVG gerichtet, weshalb diese im Ergebnis als unzulässig zurückzuweisen gewesen sei.

Bearbeitet von: Dr. Moritz Hessenberger


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