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Glaubhaftmachung im Asylverfahren

6. September 2021 in Beiträge
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Tags: Beweiswürdigung, Credibility, Erstbefragung, Gefahreneinschätzung, Glaubhaftigkeit, Glaubwürdigkeit, Verfolgungsgefahr, Wahrscheinlichkeit

Mag. Markus Kainradl

Mag. Markus Kainradl ist Jurist in der Rechtsabteilung von UNHCR Österreich. Er referiert regelmäßig zu verschiedenen Themenbereichen des internationalen Asylrechts und leitet Fortbildungsveranstaltungen für Richter:innen, Referent:innen und Rechtsberater:innen.


Ihre Angaben sind nicht glaubwürdig, da Sie Ihr Vorbringen von der polizeilichen Erstbefragung bis zur Verhandlung steigerten, wobei die Aussagen von Asylwerbern in der ersten Befragung generell der Wahrheit am nächsten kommen. Die von Ihnen präsentierte „Fluchtgeschichte“ ist darüber hinaus zu „blass“, wenig detailreich, zu oberflächlich und weitgehend unplausibel und daher in Folge keinesfalls glaubhaft. Die vom Asylwerber geltend gemachte Furcht muss jedoch nicht nur behauptet, sondern auch glaubhaft gemacht werden. Selbst bei Wahrunterstellung besteht keine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass Sie die Taliban in Herat oder Mazar-e Sharif finden können.

Diese oftmals angeführten Begründungselemente für Asylentscheidungen werfen unterschiedliche Fragen auf, wie zB: Was wird von den besonderen Beweisregeln der Glaubhaftmachung eigentlich alles umfasst? Muss eine „Furcht“ glaubhaft gemacht werden? Wann ist etwas glaubhaft bzw. wann nicht und soll im Zweifel zugunsten von Asylsuchenden entschieden werden? Bieten die regelmäßig herangezogenen Indikatoren wie Detailreichtum oder Plausibilität eine angemessene Entscheidungsbasis? Liegt die maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Gefahr woanders, als die Wahrscheinlichkeit, die für die Feststellung von Angaben Asylsuchender herangezogen wird?

Allgemein anerkannt ist, dass es in Asylverfahren besondere Beweisschwierigkeiten gibt, weshalb der Weg zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts besonderen Regeln unterliegt. Darüber hinaus besteht auch noch die komplexe Herausforderung, eine Prognose über die Zukunft in einem oft fernen Land anzustellen, wobei eine Fehleinschätzung schwere Menschenrechtsverletzungen oder sogar den gewaltsamen Tod eines Menschen zur Folge haben kann.

Obwohl dieses Erfordernis spezieller Regeln somit auf der Hand liegt, scheinen das Asylgesetz, dessen Materialien, die Behördenpraxis, die Höchstgerichtsjudikatur, Europarecht und die internationalen Standards allesamt unterschiedliche Antworten auf die oben genannten Grundsatzfragen zu geben.

Bereits in der 2013 publizierten UNHCR Studie „Beyond Proof: Credibility Assessment in EU Asylum Systems” wurde festgestellt, dass in der Europäischen Union keinen einheitlichen Standards für die Glaubhaftigkeitsprüfung gefolgt wird, obwohl eine große Anzahl an Anträgen abgewiesen wird, weil Asylsuchenden ihr Fluchtvorbringen nicht geglaubt wird. Aber auch in der nationalen Verfahrens- und Entscheidungspraxis herrscht keine Klarheit über grundlegende Begrifflichkeiten. Als Beispiel sei nur auf die synonyme Verwendung von „glaubhaft“ und „glaubwürdig“ verwiesen oder auf die Formulierung: „Es konnte nicht festgestellt werden…“, die offenlässt, welcher konkrete Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wird. Darüber hinaus scheint die bisherige Praxis aber auch teilweise den internationalen Standards zu widersprechen, wie zB bei der zumindest unscharfen Trennung von Angaben und Gefahr oder der (Nicht-)Anwendung des Zweifelsgrundsatzes „benefit of the doubt“.

Da es auch kaum wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem für Asylverfahren so zentralen Thema gibt, soll mit dem vorliegenden Blogbeitrag versucht werden, die wichtigsten Fragen herauszuarbeiten und den unterschiedlichen Zugängen in staatlichen Asylverfahren einheitliche Standards gegenüberzustellen, die auf Basis jahrzehntelanger Entscheidungspraxis von UNHCR oder zB der International Association of Refugee and Migration Judges entwickelten wurden.

 

Beitragsfoto: © Markus Kainradl


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