Abbildung 1: Das Feld der COI
Hierbei ist zu beachten, dass nicht alles, was im Verfahren vorgebracht wird, auch belegt werden muss, vorausgesetzt, es wurden alle verfügbaren Beweise geprüft und die Aussagen der antragstellenden Person wurden als plausibel und kohärent beurteilt (Stichwort: „benefit of the doubt“). Wie ACCORD in seinem Handbuch Researching Country of Origin Information festhält, kann COI zwar bestimmte Aussagen von Asylantragstellenden untermauern, doch selbst im Rahmen einer umfassenden COI-Recherche ist es kaum möglich, alle Angaben unabhängig zu bestätigen. COI liefert nur selten abschließende Antworten hinsichtlich der Glaubhaftigkeit einer Person oder ihres Bedarfes auf internationalen Schutz.
In Verfahren für die Zuerkennung von internationalem Schutz können Herkunftsländerinformationen somit die Rolle eines wichtigen zu berücksichtigenden Beweismittels spielen. Gleichzeitig ist die lediglich ergänzende Natur dieses Beweismittels zu beachten: Weder ist COI in individuellen Verfahren allein für den Anspruch auf einen Schutzstatus ausschlaggebend noch ersetzt sie die rechtliche Würdigung der Fakten, die die Umstände im Herkunftsland beschreiben.
Qualitätsstandards und Prinzipien bei der Beurteilung von Herkunftsländerinformationen
Im Rahmen von Verfahren für die Zuerkennung von internationalem Schutz stellen Herkunftsländerinformationen somit einen Faktor dar, der einen signifikanten Einfluss auf das Leben der Antragstellenden haben kann. Umso wichtiger ist es für alle, die Herkunftsländerinformationen recherchieren, zusammenstellen oder nutzen, den Stellenwert, aber auch die Grenzen von COI zu kennen und über einen fundierten Rahmen zur Beurteilung der Qualität der von ihnen recherchierten oder verwendeten Informationen zu verfügen.
ACCORD widmet sich in diesem Kontext im bereits erwähnten Handbuch den Standards und Prinzipien, die es sowohl bei der Recherche als auch bei der Verwendung von COI zu beachten gilt. Die Qualitätsstandards Relevanz, Verlässlichkeit und Ausgewogenheit, Inhaltliche Richtigkeit und Aktualität und Transparenz beruhen auf den Grundprinzipien der Unparteilichkeit und Neutralität, Waffengleichheit bezüglich des Zugangs zu Informationen, Verwendung von öffentlich zugänglichen Informationen sowie Datenschutz. Zusammengenommen ermöglichen die Standards und Prinzipien eine größtmögliche Annäherung an das Ziel der Objektivität.
Im Detail bedeutet dies, dass Herkunftsländerinformationen dann relevant sind, wenn sie auf Fragen beruhen, die auf rechtlichen Konzepten der Flüchtlings- und Menschenrechtsgesetzgebung beruhen, oder auf Fragen, die sich aus den Aussagen der Antragstellenden ergeben. Entscheidungen über internationalen Schutz sollten auf COI aus verlässlichen Quellen beruhen, wobei der politische und ideologische Kontext der Quelle sowie ihr Mandat, ihre Methoden der Recherche, Datenerhebung und Berichterstattung und ihre Motivation berücksichtigt werden müssen. Da jede Quelle über eine eigene Perspektive verfügt, sollten verschiedene Quellen und verschiedene Arten von Quellen konsultiert werden, um ein möglichst umfassendes und ausgewogenes Bild zu erhalten. Es sollten nur Informationen verwendet werden, die zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung als korrekt und aktuell gelten. Inhaltliche Richtigkeit und Aktualität lassen sich durch die Prüfung anhand mehrerer Quellen („cross-checking“) von Informationen erreichen. Um Transparenz zu gewährleisten, sollten Informationen klar und verständlich dargestellt und in ihrer Bedeutung nicht verzerrt werden. Jede Information sollte bis zur Primärquelle rückverfolgbar sein, was eine vollständige Referenzierung unabdingbar macht. So kann sichergestellt werden, dass Leser:innen die Informationen unabhängig überprüfen und bewerten können.