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VfGH: Familienleben steht auch am Lebensende unter besonderem Schutz


Mit dem Erkenntnis VfGH 25.11.2024, E 3214/2024, hat der VfGH – erstmals – festgehalten, dass die Beziehung von Eheleuten am Lebensende eines Ehepartners unter dem besonderen Schutz des Art. 8 EMRK stehen kann.

Der VfGH hat in der Vergangenheit wiederholt die besondere Bedeutung familiärer Bindungen am Beginn des Lebens hervorgehoben. Die Erlassung einer – zur Trennung der Kernfamilie führenden – aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegenüber einem Elternteil setzt gerade in den ersten Lebensmonaten des Kindes die Berücksichtigung der Bindung zwischen Eltern und Neugeborenem im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK voraus (vgl. dazu VfSlg. 19.776/2013; VfGH 8.6.2021, E 4076/2020; 1.3.2022, E 4229/2021). Unter Verweis auf diese Rechtsprechung hat der Gerichtshof nun auch den Schutz familiärer Bindungen am Lebensende anerkannt:

Im Anlassfall hatte das BVwG die Rückkehrentscheidung gegenüber einem armenischen Staatsangehörigen bestätigt, dessen in Österreich aufenthaltsberechtigte Ehefrau nach den Feststellungen des BVwG an Krebs in fortgeschrittenem Stadium leidet und deren Behandlung auf palliative Maßnahmen beschränkt ist. Begründend verwies das BVwG im Wesentlichen auf die Möglichkeit zur Fortsetzung des Familienlebens durch eine gemeinsame Rückkehr der Ehepartner in den Herkunftsstaat und zur Aufrechterhaltung des Kontaktes durch briefliche, telefonische oder elektronische Kommunikation sowie durch gegenseitige Besuche. Zudem ging das BVwG davon aus, dass die vom Ehemann erbrachten Pflegeleistungen auch von der (ebenfalls aufenthaltsberechtigten) Tochter oder allenfalls im Rahmen des österreichischen Gesundheits- und Pflegewesens erbracht werden könnten.

Der VfGH hat in seiner Entscheidung festgehalten, dass sich die Ehefrau „in einer von Art. 8 EMRK besonders geschützten Lebensphase“ befindet. In einer solchen Konstellation bedarf es nach Ansicht des VfGH einer eingehenden Begründung, weshalb die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und die damit verbundene Trennung der Ehepartner im öffentlichen Interesse geboten ist. Weil das BVwG die besonders geschützte Beziehung zwischen dem Beschwerdeführer und seiner (schwerkranken) Ehefrau nicht hinreichend gewürdigt und insb. die Auswirkungen der Entscheidung auf die Ehefrau nicht ausreichend berücksichtigt hat, erwies sich die Interessenabwägung des BVwG nach Art. 8 Abs. 2 EMRK als mit einem in die Verfassungssphäre reichenden Fehler behaftet.

Bearbeiter: Dr. Johannes Schön


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