Recht und Wissenschaft in Österreich

VfGH: Asylabweisung eines äthiopischen Staatsangehörigen aus der Region Tigray unzulässig


Das BVwG hätte sich vor dem Hintergrund der Länderberichte mit der konkreten Rückkehrsituation des Beschwerdeführers auseinandersetzen müssen.

Mit Erkenntnis vom 5. Oktober 2021, E 3008/2021, hat der VfGH der Beschwerde eines äthiopischen Staatsangehörigen stattgegeben, weil der Beschwerdeführer durch das angefochtene Erkenntnis des BVwG im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (Art. I Abs. 1 Bundesverfassungsgesetz BGBl. Nr. 390/1973) verletzt worden ist.

Der Beschwerdeführer ist in Addis Abeba geboren worden, aber in seinem siebten Lebensjahr nach Humera in die Provinz Tigray gezogen, wo er bis zu seiner Ausreise ansässig war.

Das BVwG war in seinem Erkenntnis davon ausgegangen, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat keine asylrelevante Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention drohe. Zwar sei ihm eine Rückkehr in seine Herkunftsregion Tigray auf Grund des dort vorherrschenden Bürgerkrieges sowie der volatilen Sicherheitslage nicht möglich. Es sei ihm jedoch möglich und zumutbar, sich in anderen Landesteilen, insbesondere der Stadt Addis Abeba anzusiedeln. Das Erkenntnis war u.a. auf eine Kurzinformation der Staatendokumentation vom 9. November 2020 betreffend Kampfhandlungen im Bundesstaat Tigray gestützt.

Der VfGH verweist zunächst auf diese Kurzinformation und hält fest, dass daraus unter anderem hervorgehe, in Äthiopien bestehe – zusätzlich zur angespannten Sicherheitslage auf Grund des Bürgerkrieges – die Gefahr, dass „Tigrayer außerhalb des eigenen Bundesstaates vom Mob angegriffen werden könnten“. Auch die Vereinten Nationen warnten vor solchen Angriffen. In Addis Abbeba seien mehr als 160 Personen verhaftet worden, weil sie der Unterstützung für Tigray verdächtig seien.

Dem Erkenntnis des BVwG fehle eine nachvollziehbare Auseinandersetzung mit diesen Länderberichten und damit der konkreten Rückkehrsituation des Beschwerdeführers, der seit seinem 7. Lebensjahr in der Region Tigray gelebt hat. Insbesondere gehe das BVwG mit keinem Wort auf die Feststellung ein, wonach Tigrayer außerhalb des eigenen Bundesstaates vom Mob angegriffen werden könnten. Indem sich das BVwG mit dieser Frage nicht auseinandergesetzt habe, habe es sein Erkenntnis mit Willkür belastet.

Bearbeitet von: Dr. Martina Lais


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