Recht und Wissenschaft in Österreich

VfGH: Mitwirkung des Regionalbeirates bei Beschäftigungsbewilligungen verfassungswidrig


Die aus § 4 Abs. 3 Z 1 AuslBG folgende – sowohl den Leiter der regionalen Geschäftsstelle des AMS als auch das BVwG – bindende Wirkung einer Nichtzustimmung des Regionalbeirates zur Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung verstößt gegen das Rechtsstaatsprinzip der Bundesverfassung.

Dem Verfahren liegt eine Beschwerde gegen die Abweisung eines Antrags auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für die berufliche Tätigkeit (Lehrling) eines Asylwerbers als Spengler zu Grunde. Der Antrag war mit der Begründung abgewiesen worden, dass der Beirat der regionalen Geschäftsstelle dem Antrag nicht einhellig zugestimmt habe.

Aus Anlass dieses Beschwerdeverfahrens hat der VfGH zunächst ein amtswegiges Verordnungsprüfungsverfahren betreffend näher bezeichnete Absätze der Erlässe der (ehemaligen)Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz vom 12. September 2018, BMASGK-435.006/0013-VI/B/7/2018, sowie des (ehemaligen) Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 11. Mai 2004, 435.006/6-II/7/04, beschlossen und die in Prüfung gezogenen Verordnungen mit Erkenntnis vom 23. Juni 2021, V 95/2021 ua. als gesetzwidrig aufgehoben.

Darüber hinaus hegte der VfGH verfassungsrechtliche Bedenken betreffend § 4 Abs. 3 AuslBG und hat daher am 25. Juni 2021 beschlossen, auch die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung von Amts wegen zu prüfen. Mit Erkenntnis vom 14. Dezember 2021, G 232/2021, hat er § 4 Abs. 3 AuslBG als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die Aufhebung mit 30. Juni 2023 in Kraft tritt.

Begründend führt der VfGH aus, dass die Bestimmung aus mehreren Gründen gegen das Rechtsstaatsprinzip verstößt: Zunächst wird nach § 4 Abs. 3 AuslBG die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung an die einhellige Befürwortung des Regionalbeirates gebunden. Da der Regionalbeirat nicht als Behörde zu qualifizieren ist, wird somit im Falle der Nichtzustimmung des Regionalbeirates die behördliche Entscheidungskompetenz an die Zustimmung eines nichtbehördlichen Organs gebunden. Auf diese Weise wird der zuständigen Behörde (dem Leiter der regionalen Geschäftsstelle des AMS) die Verantwortung für die eigenständige Beurteilung des Vorliegendes der gesetzlichen Voraussetzungen für die Erlassung der Beschäftigungsbewilligung und damit die eigentliche behördliche Vollzugsentscheidung entzogen. Dies ist mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar.

Ferner gibt es im Gesetz keine Anhaltspunkte dafür, dass das BVwG eine Beschäftigungsbewilligung unter anderen Voraussetzungen zu erteilen hätte als der Leiter der regionalen Geschäftsstelle. Auch das BVwG hat daher (u.a.) zu prüfen, ob die in § 4 Abs. 3 AuslBG festgelegten Kriterien erfüllt sind. Daraus folgt – wie auch die Bundesregierung im Gesetzesprüfungsverfahren ausgeführt habe –, dass (auch) das BVwG eine Beschäftigungsbewilligung nur dann erteilen darf, wenn die einhellige Befürwortung des Regionalbeirates (für die jeglicher gesetzliche Maßstab fehlt) vorliegt. Die mangelnde einhellige Befürwortung durch den Regionalbeirat kann daher weder durch die Behörde noch durch das Verwaltungsgericht substituiert werden. Dieses Zustimmungserfordernis bindet damit nicht nur den Leiter der regionalen Geschäftsstelle des AMS, sondern auch das BVwG an die Beurteilung des Regionalbeirates und entzieht auf diese Weise – in Widerspruch zum Rechtsstaatprinzip – auch dem BVwG die Verantwortung für eine eigenständige Beurteilung des Vorliegens der gesetzlichen Bewilligungsvoraussetzungen und damit sowohl das Recht zur Entscheidung über den Antrag als auch die Möglichkeit zur Überprüfung der Entscheidung.

Im Übrigen weist der VfGH auf seine ständige Rechtsprechung hin, wonach die Einbeziehung des Sachverstandes von Beiräten zur Vorbereitung von Entscheidungsgrundlagen verfassungsrechtlich zulässig und unter Umständen auch geboten sein kann. Er hält aber fest, dass sich die in § 4 Abs. 3 AuslBG vorgesehene Einbeziehung des Regionalbeirates von den dieser Rechtsprechung zu Grunde liegenden Beiräten insoweit unterscheidet, als dem Regionalbeirat dabei nicht nur eine beratende Funktion zukommt.

Die Aufhebung des gesamten § 4 Abs. 3 AuslBG (obwohl das Zustimmungserfordernis des Regionalbeirates nur in § 4 Abs. 3 Z 1 AuslBG geregelt ist) ergibt sich aus dem untrennbaren Zusammenhang der in § 4 Abs. 3 AuslBG abschließend aufgezählten Alternativen.

Mit Erkenntnis vom 15. Dezember 2021, E 2420/2020, hat der VfGH sodann der Beschwerde im Anlassverfahren stattgegeben und das BVwG-Erkenntnis wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes und gesetzwidriger Verordnungen aufgehoben. Das BVwG wird daher über den Bewilligungsantrag neu zu entscheiden haben. Es wird dabei nicht an die Stellungnahme des Regionalbeirates gebunden sein (da die Fristsetzung der Aufhebung des § 4 Abs. 3 AuslBG nicht für das Anlassverfahren gilt).

Bearbeitet von: Dr. Martina Lais


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