Recht und Wissenschaft in Österreich

VfGH: Zum vorübergehenden Aufenthaltsrecht für Staatsangehörige der Ukraine nach der Vertriebenen-Verordnung


Mit Erkenntnis vom 15. März 2023, E 3249/2022 hat der VfGH der Beschwerde eines ukrainischen Staatsangehörigen gegen die Verweigerung des vorübergehenden Aufenthaltsrechts nach der Vertriebenen-Verordnung und die Zurückweisung des Antrags auf Ausstellung eines Ausweises für Vertriebene stattgegeben.

Der Beschwerdeführer war am 13. Februar 2023 aus der Ukraine ausgereist, um in Georgien einen Urlaub zu verbringen. Auf Grund des Ausbruchs des Krieges am 24. Februar 2022 war er nicht mehr in die Ukraine zurückgekehrt, sondern am 2. März 2022 nach Österreich eingereist.

Sowohl das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als auch das Bundesverwaltungsgericht gingen davon aus, dass der Beschwerdeführer nicht in den Anwendungsbereich der Vertriebenen-Verordnung falle, weil er an dem in § 1 Vertriebenen-Verordnung angeführten Stichtag, dem 24. Februar 2022 nicht in der Ukraine anwesend gewesen sei.

Der Verfassungsgerichtshof hält in seiner Entscheidung fest, dass gemäß § 1 Z 1 Vertriebenen-Verordnung Staatsangehörige der Ukraine „mit Wohnsitz“ in der Ukraine ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet, wenn sie auf Grund des bewaffneten Konfliktes ab dem 24. Februar 2022 vertrieben wurden. Die Vertriebenen-Verordnung stellt daher auf den Wohnsitz ab. Unter Wohnsitz ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes jener Ort zu verstehen, an dem eine Person sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat dort einen Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen zu schaffen. Ein ukrainischer Staatsangehöriger hat seinen Wohnsitz auch dann in der Ukraine, wenn er diesen Ort kurzzeitig verlässt, um zB einen Urlaub im Ausland zu verbringen. Auch Personen wie der Beschwerdeführer, die die Ukraine nicht lange vor dem 24. Februar 2022 verlassen haben, sind daher von § 1 Z 1 Vertriebenen-Verordnung erfasst, weil sie am 24. Februar 2022 einen Wohnsitz in der Ukraine hatten und durch den Ausbruch des bewaffneten Konflikts aus der Ukraine vertrieben wurden.

Das Bundesverwaltungsgericht hat daher die Rechtslage in einem wesentlichen Punkt gröblich verkannt und sein Erkenntnis mit Willkür belastet.

Bearbeitet von: Dr. Martina Lais


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