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BVwG: Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an einen an Morbus Hodgkin leidenden Beschwerdeführer

BVwG 05.06.2023, W202 2226922-1/30E


Aufgrund des Feststehens des fehlenden Zugangs zu medizinischer Versorgung besteht für den Beschwerdeführer ein reales Risiko, wegen des Fehlens angemessener Behandlung in seinem Herkunftsstaat oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt.

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 09.10.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 18.11.2019 wurde dieser Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien abgewiesen. Zudem wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen, seine Abschiebung nach Indien für zulässig erklärt sowie eine 14-tägige Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt.

Einer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde, nachdem der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung seine Beschwerde hinsichtlich der Nicht-Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zurückgezogen hatte, mit Erkenntnis des BVwG vom 05.06.2023, W202 2226922-1/30E, stattgegeben und ihm gem. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien zuerkannt.

Das BVwG stellte fest, der Beschwerdeführer leide an Morbus Hodgkin. Nach einer Lymphknotenexstirpation sei von Mai bis August 2022 eine Polychemotherapie erfolgt, auf welche er gut angesprochen habe. Im zuletzt durchgeführten PET/CT vom 23.11.2022 habe sich jedoch eine geringe Größenprogredienz der Lymphknoten bds. hilär und infrakarinal gezeigt, weshalb nun engmaschigere Kontrollen notwendig seien. Bei Dynamik im Sinne eines Rezidivs wäre eine neue Therapie indiziert, sodass derzeit keine stabile Situation der malignen hämatologischen Grunderkrankung bestehe. Bei Rückkehr des Beschwerdeführers nach Indien sei eine adäquate medizinische Versorgung zur Behandlung seiner Krebserkrankung nicht mit der erforderlichen Sicherheit gewährleistet.

In seiner Beweiswürdigung hielt das BVwG weiters fest, dass der Beschwerdeführer in naher Zukunft regelmäßige medizinische Kontrolltermine wahrnehmen muss, um bei einem etwaigen Rückfall rechtzeitig eine neuerliche Therapie einleiten zu können. Zum Entscheidungszeitpunkt könne eine adäquate medizinische Versorgung zur Behandlung seiner Krebserkrankung in seinem Herkunftsstaat nicht mit der erforderlichen Sicherheit gewährleistet werden. Den Länderinformationen sei nämlich zu entnehmen, dass in Indien lediglich eine gesundheitliche Minimal-Grundversorgung vom Staat kostenfrei gewährt wird, die jedoch als durchwegs unzureichend angesehen wird. Nur private Krankenhäuser in den größeren Städten würden einen Standard, welcher mit jenem westlicher Industriestaaten vergleichbar sei, gewährleisten. Ein Großteil der Bevölkerung könne sich dies aber nicht leisten, private Krankenversicherungen in Indien würden nur für die städtische, wohlhabende Bevölkerungsschicht infrage kommen. Zudem gehe auch der vorgelegte fachärztliche Bericht davon aus, dass eine adäquate Versorgung in Indien nicht gewährleistet sei.

Insgesamt sei daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer, der zwar über einen Universitätsabschluss verfüge, jedoch vor seiner Ausreise mit Gelegenheitsjobs seinen Unterhalt finanziert habe, nicht über ausreichend finanzielle Mittel verfüge, um in regelmäßigen Abständen eine solche private Gesundheitsversorgung in Anspruch nehmen zu können, zumal seine Eltern als Hausfrau bzw. Tagelöhner tätig seien und somit auch von ihnen keine maßgebliche finanzielle Unterstützung für den Abschluss einer privaten Krankenversicherung erwartet werden könne.

In der rechtlichen Beurteilung wurde ausgeführt, nach der zu § 8 AsylG 2005 bzw. Art. 3 EMRK ergangenen Rechtsprechung habe ein Fremder im Allgemeinen kein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leide. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, sei unerheblich, allerdings müsse der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen seien (vgl. dazu VwGH 10.08.2017, Ra 2016/20/0105, Rz 20, sowie das Urteil des EGMR vom 13.12.2016, Nr. 41738/10, Paposhvili gegen Belgien, Rz 189 ff).

Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führe die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche „außergewöhnlichen Umstände“ seien jedoch im Falle des Beschwerdeführers gegeben. Aufgrund des Feststehens des fehlenden Zugangs zu medizinischer Versorgung bestehe für den Beschwerdeführer nämlich ein reales Risiko, wegen des Fehlens angemessener Behandlung in seinem Herkunftsstaat oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führe (siehe dazu etwa VwGH 23.03.2017, Ra 2017/20/0038 bis 0040, mwN).

Bearbeitet von: Mag. Moritz Hessenberger

 


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