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BVwG: Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten und eines subsidiär Schutzberechtigten, Rückkehrentscheidung und Zulässigkeit der Abschiebung nach Syrien

BVwG 19.05.2025, W122 2293727-1/19E


Eine Einziehung des Beschwerdeführers zum Wehrdienst in die syrische Armee unter der Führung des ehemaligen Assad-Regimes ist nicht maßgeblich wahrscheinlich, da dieses vor rund fünf Monaten gestürzt wurde und die Heimatregion des Beschwerdeführers sowie die überwiegenden Teile Syriens und damit auch die Rückwege in seine Heimatregion nunmehr unter der Kontrolle der Kräfte der syrischen Übergangsregierung stehen. […] Im Hinblick auf die gegebenen Umstände kann damit in einer Gesamtbetrachtung ein „reales Risiko“ einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erkannt werden.

Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger, welcher der arabischen Volksgruppe angehört und aus der Stadt Idlib stammt, reiste spätestens im September 2023 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 17.09.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.05.2024 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen wurde. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, sondern gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Syrien zulässig ist (Spruchpunkte III. bis V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise gewährt.

Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 19.05.2025, W122 2293727-1/19E, vollinhaltlich ab.

Das Bundesverwaltungsgericht führte aus, dass die Heimatregion des Beschwerdeführers, nämlich die Provinz Idlib, unter Kontrolle der neuen syrischen Übergangsregierung unter der Führung des Übergangspräsidenten Ahmed al-Sharaa stehe. Das Assad-Regime verfüge in Syrien über keine Gebietshoheit mehr und seien die Sicherheitskräfte des alten Regimes sowie die Syrische Arabische Armee aufgelöst worden. Das Assad-Regime habe in der Heimatregion des Beschwerdeführers mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine Möglichkeit mehr den Beschwerdeführer zu rekrutieren, zu verhaften oder wegen allfälliger Wehrdienstverweigerung zu bestrafen. Im Falle seiner Rückkehr drohe dem Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auch keine Rekrutierung durch die aktuelle syrische Übergangsregierung, durch Kräfte der (ehemaligen) HTS oder sonstige Gruppierungen. Die syrische Armee solle künftig als Freiwilligenarmee organisiert werden. Nach den Länderberichten gebe es Verhaftungen und Hinrichtungen von Personen, die mit dem Assad-Regime in Verbindung gebracht würden und in den Streitkräften des ehemaligen Regimes gedient hätten. Dies treffe auf den Beschwerdeführer nicht zu. Der Beschwerdeführer habe sich in Syrien oder in Österreich auch nicht in irgendeiner Weise politisch exponiert verhalten. Es gebe keine Hinweise darauf, dass die derzeitigen Machthaber in Syrien gezielt gegen in ihren Augen „Andersdenkende“ oder „verwestlichte“ Männer vorgehen würden und unterliege der Beschwerdeführer auch als Rückkehrer keiner gezielten Verfolgung im Herkunftsstaat.

Die Sicherheitslage in Syrien sei zwar nach wie vor nach dem Sturz des Assad-Regimes fragil und komme es weiterhin zu Machtkämpfen. Die Anzahl der Sicherheitsvorfälle gehe jedoch zurück. Die Zusammenstöße mit Überbleibseln des ehemaligen Assad-Regimes würden sich in den Gouvernements Latakia, Tartus, Homs und Hama konzentrieren, somit nicht in der Heimatregion des Beschwerdeführers. Eine Überforderung der Kräfte der Übergangsregierung zeige sich (nur) in Gebieten von Homs, im ländlichen Hama und im Süden Syriens (Gouvernements Dar’a und Sweida). Der Beschwerdeführer werde in eine Stadt im Gouvernement Idlib zurückkehren, wo aufgrund der vermehrten Präsenz der Kräfte der (ehemaligen) HTS eine bessere Sicherheitslage anzunehmen sei. Zum aktuellen Zeitpunkt stelle sich die Sicherheitslage in Syrien als wesentlich gebessert dar. In einer Gesamtbetrachtung der allgemeinen Sicherheitslage in der Heimatregion des Beschwerdeführers im Gouvernement Idlib sei davon auszugehen, dass sich diese nicht als derart gravierend darstelle, dass der Beschwerdeführer dort als Zivilperson bloß aufgrund seiner Anwesenheit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Opfer willkürlicher Gewalt würde oder sonst einer ernsthaften Bedrohung seines Lebens oder seiner körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt wäre. Die Erreichbarkeit der Region sei gegeben. Hinsichtlich der wirtschaftlichen und humanitären Lage werde nicht verkannt, dass sich diese nach wie vor desolat darstelle. Die Lage in der Heimatregion des Beschwerdeführers sei zwar angespannt, der Beschwerdeführer sei jedoch ein volljähriger, junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann der arabischen Volksgruppe ohne Sorgepflichten und mit 8-jähriger Schulbildung, weshalb davon auszugehen sei, dass er seinen Lebensunterhalt im Herkunftsstaat bestreiten könne, zumal er bereits über Arbeitserfahrung verfüge, Ortskenntnisse aufweise und Arabisch sowie Türkisch spreche. Aufgrund der persönlichen Umstände des Beschwerdeführers sei davon auszugehen, dass er – wenn auch mit allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten und finanzieller Unterstützung seiner Familie – grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung, Unterkunft und medizinische Versorgung in seiner Heimatregion befriedigen werde können.

In der rechtlichen Beurteilung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei eine asylrelevante Verfolgungsgefahr in Syrien glaubhaft zu begründen. Auch aus der Person des Beschwerdeführers würden sich keine subjektiven Gründe ergeben, die eine reale Gefahr einer Verletzung der aus Art. 2 und 3 EMRK sowie Nr. 6 und 13 ZPEMRK entspringenden Rechte des Beschwerdeführers im Falle seiner Rückführung nach Syrien mit sich brächten. Das Bundesverwaltungsgericht verkenne nicht, dass sich die wirtschaftliche und humanitäre Lage in Syrien nach wie vor desolat darstelle und die Versorgungslage äußerst angespannt sei. Im Falle des Beschwerdeführers sei jedoch aufgrund seiner persönlichen Umstände nicht davon auszugehen, dass er im Falle seiner Rückkehr nicht in der Lage wäre, seine Grundbedürfnisse zu decken, oder in eine existenzbedrohende Lage geraten würde.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer sei statthaft, da er über keine Familienangehörigen im Bundesgebiet verfüge und sich erst seit kurzer Zeit in Österreich aufhalte. Eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Syrien sei zulässig.

 

Anmerkung der Bearbeiterin: Abschließend bleibt auf die Entscheidung des VwGH vom 26.06.2025, Ra 2024/18/0733, in Bezug auf Idlib zu verweisen, wenngleich darin die Lage vor dem Sturz vor dem Assad-Regime ausschlaggebend war und die damals geltenden Länderberichte (insbesondere EUAA Country Guidance) berücksichtigt wurden.

Bearbeitet von: Mag.a Yasmin Ponesch


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Kommentare

2 thoughts on "BVwG: Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten und eines subsidiär Schutzberechtigten, Rückkehrentscheidung und Zulässigkeit der Abschiebung nach Syrien"

  1. Erika sagt:

    Vorsicht: falsche Jahreszahl des Erkenntnisses. Es ist der 19.05.2025

  2. BlogAsyl sagt:

    Danke für die aufmerksamen Augen, wurde behoben!

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