Reisen in den Herkunftsstaat
3. September 2021 in
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Tags: Aberkennung, Asyl, Herkunftsländer, Reisebewegung, subsidiärer Schutz
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Wo das Recht auf Bewegungsfreiheit an seine Grenzen stößt
Das Asylgesetz 2005 normiert die Einreise in den Herkunftsstaat als Indiz für das Vorliegen eines Asylaberkennungsgrundes. Diese mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2018 eingeführte Ergänzung des
§ 7 Abs. 2 Asylgesetz 2005 findet ausschließlich Anwendung auf Asylberechtigte. Die neue Bestimmung greift dabei auf den Beendigungsgrund des Art. 1 Abschn. C Z 1 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) zurück, welche die Rechtsstellung der Asylberechtigten auf internationaler Ebene regelt. Konkret definiert Art. 1 Abschn. C Z 1 GFK die freiwillige Wiederinanspruchnahme des Schutzes des Herkunftsstaates als Endigungsgrund. Zumal jedoch bereits § 7 Abs. 1 Asylgesetz 2005 nach der alten Fassung auf die Endigungsgründe in Art. 1 Abschn. C GFK verwies, führt die neue Ausformulierung des § 7 Abs. 2 Asylgesetz 2005 zu keiner Änderung der bisherigen Rechtslage. Hervorzuheben ist an dieser Stelle die restriktive Auslegung der Beendigungsklauseln der GFK durch das UNHCR-Handbuch, auf das der Verwaltungsgerichtshof in seinen Entscheidungen wiederholt verwiesen hat.
Für subsidiär Schutzberechtigte kann die Reise in das Herkunftsland ebenso den Widerruf des Schutzstatus nach sich ziehen. Die Reisebewegung fließt im Rahmen einer Überprüfung des Schutzstatus in die Gesamtbeurteilung ein und kann dazu führen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes wegfallen.
Asylberechtigte
Das Verfahren zur Aberkennung des Asylstatus ist einzuleiten, wenn konkrete Hinweise für das Eintreten eines Endigungsgrundes bestehen und das Vorliegen der Aberkennungsvoraussetzungen wahrscheinlich erscheint. Ein gesetzlich normiertes Indiz für das Vorliegen eines Endigungsgrundes stellt die Einreise in den Herkunftsstaat dar. Zeigt etwa die Grenzpolizei die Reisebewegung dem zuständigen Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) an, trifft die Behörde die Pflicht zur Einleitung eines Aberkennungsverfahrens, sofern es neben dem zu überprüfenden Indiz das Vorliegen der Aberkennungsvoraussetzungen für wahrscheinlich erachtet. Zur Prüfung der Aberkennungsvoraussetzungen leitet das BFA ein Aberkennungsverfahren ein, in dem eine umfassende Einzelfallprüfung erfolgt. Zu den Beurteilungskriterien zählen insbesondere der Beweggrund für die Einreise, die Häufigkeit der Reisen, die Dauer des Aufenthalts sowie der genaue Aufenthaltsort im Herkunftsstaat.
Subsidiär Schutzberechtigte
Für subsidiär Schutzberechtigte stellt die Einreise in den Herkunftsstaat zwar nicht unmittelbar ein Indiz für das Vorliegen eines Endigungsgrundes dar. Jedoch kann die vorübergehende Rückkehr dazu führen, dass der Herkunftsstaat nicht länger als unsicher beurteilt wird und folglich die Voraussetzungen für den Schutzstatus nicht mehr vorliegen. Insbesondere im Rahmen der Verlängerung des Aufenthaltsrechts kann die Reisebewegung zur Aberkennung des Schutzstatus führen.
Asylaberkennungsverfahren im Jahr 2019
Eine parlamentarische Anfragebeantwortung des Innenministeriums aus dem vergangenen Jahr gibt einen Überblick über die Gründe der eingeleiteten Asylaberkennungsverfahren. Demnach wurden im Jahr 2019 5.453 erstinstanzliche Aberkennungsverfahren eingeleitet. Davon sind 1.349 Verfahren auf das Vorliegen konkreter Gründe, wie insbesondere die Einreise in den Herkunftsstaat oder die Beantragung und Ausfolgung eines Reisepasses des Herkunftsstaates, zurückzuführen.
Beweggründe für Reisen in die Herkunftsstaaten
Die Gründe für Reisen in die Herkunftsländer variieren je nach Person, Fluchtgrund und Sicherheitslage im Herkunftsstaat. Häufig vorgebrachte Gründe sind etwa Krankheits- oder Sterbefälle im Angehörigenkreis. Die Beweggründe für die Reisebewegung sind für die Beurteilung, ob im Einzelfall ein Aberkennungsgrund vorliegt, von zentraler Bedeutung. Wie eingangs beschrieben führt die Reise in den Herkunftsstaat nicht zwingend zur Aberkennung des Schutzstatus.
So hat der Verwaltungsgerichtshof in einer jüngeren Entscheidung ausgesprochen, dass der bloße Umstand der besuchsweisen Heimreise zur Schlichtung von Grundstücksstreitigkeiten nicht schlussfolgern lässt, der Asylberechtigte habe sich freiwillig unter den Schutz seines Heimatlandes begeben. Vielmehr seien die konkreten Umstände der Reise zu erheben, um das Motiv der Heimreise, den Ablauf des konkreten Aufenthaltes und die Gefahrenlage im Herkunftsland beurteilen zu können. Die Gewichtung der Motivation zur Heimreise sowie der Gefahrenlage im Herkunftsland sei zudem sowohl in subjektiver als auch objektiver Hinsicht vorzunehmen, um das Vorliegen einer Absicht zur Unterschutzstellung im Sinne der GFK werten zu können.
Genehmigung der Reise in den Herkunftsstaat
Reisen in die Herkunftsländer bergen das Risiko einer Aberkennung des Schutzstatus. Für Schutzberechtigte, die aus triftigen Gründen eine Reise in den Herkunftsstaat planen, besteht daher ein großes Interesse, die möglichen Folgen der Reise im Vorhinein zu minimieren. Die Rechtslage ist hierbei unzufriedenstellend. Es fehlt eine gesetzliche Grundlage, auf der die österreichischen Behörden die Reise in den Herkunftsstaat aus wichtigem Grund genehmigen können. Letztendlich bleibt es daher den Schutzberechtigten selbst überlassen, die Reise in den Herkunftsstaat anzutreten und die Gefahr der Einleitung eines Aberkennungsverfahrens auf sich zu nehmen. Die Einzelfallprüfung erfolgt im Rahmen des Aberkennungsverfahrens, in dem die Schutzberechtigten ihre individuellen Gründe glaubhaft vorbringen können.
Aufenthaltsrecht in Folge der Aberkennung
Sowohl das Recht auf Asyl als auch der subsidiäre Schutz sind unmittelbar mit einer drohenden Gefahr im Herkunftsstaat verbunden. Für den Fall, dass der Schutzstatus aberkannt wird, sind die Betroffenen gehalten, sich um einen entsprechenden Aufenthaltstitel in Österreich zu bemühen. In Frage kommen die Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die unter anderem an eine besondere soziale und familiäre Verankerung in Österreich anknüpfen.
Fazit
Für Asylberechtige und subsidiär Schutzberechtigte kann die Reise in den Herkunftsstaat zur Einleitung des Aberkennungsverfahrens führen. Der Ausgang dieses Verfahrens bedarf jedenfalls einer Einzelfallprüfung und ist oftmals nicht voraussehbar. Mangels gesetzlicher Regelungen, die eine Reise in Ausnahmefällen ermöglichen, müssen sich Betroffene in der Regel auf ein Aberkennungsverfahren einstellen, wenn sie eine Reise in das Herkunftsland antreten. Insbesondere vor diesem Hintergrund spielt die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der Höchstgerichte eine bedeutende Rolle als Orientierung für ähnlich gelagerte Fälle.
Beitragsfoto: © Andrea Piacquadio