Mit Erkenntnissen vom 7. Oktober 2021, E 4080-4081/2020 sowie E 93/2021, hat der VfGH den Beschwerden eines afghanischen Staatsangehörigen stattgegeben, weil der Beschwerdeführer durch die angefochtenen Erkenntnisse im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) verletzt worden ist.
Die Beschwerden bezogen sich auf Erkenntnisse des BVwG, mit denen festgestellt worden war, dass zum jeweiligen Entscheidungszeitpunkt die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgebenden Voraussetzungen vorgelegen seien, und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung verhältnismäßig gewesen sei. Die Rechtmäßigkeit der Fortsetzung der Schubhaft war jeweils auf das Vorliegen der Voraussetzung der Gefährdung der Abschiebung „dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat“ gemäß § 80 Abs. 4 Z 4 FPG gestützt. Das BVwG bezog sich dabei auf näher dargestelltes bisheriges Verhalten des Beschwerdeführers sowohl vor als auch nach der Anhaltung, wie etwa die widerrechtliche Abgängigkeit von einer Asylunterkunft, Hungerstreiks und Ordnungswidrigkeiten während der Anhaltung (E 4080-4081/2021) sowie die neuerliche Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz (E 93/2021).
Der VfGH hält fest, dass mit § 80 Abs. 2 und 4 FPG die Bestimmung des Art. 15 Abs. 5 und 6 der Rückführungs-RL umgesetzt worden sei. Dem Urteil des EuGH vom 5. Juni 2014, Rs. C-146/14, Mahdi, folgend, liege dann eine „mangelnde Kooperationsbereitschaft“ iSd Art. 15 Abs. 6 Buchstabe a Rückführungs-RL vor – und sei der Ausnahmetatbestand des § 80 Abs. 4 Z 4 FPG erfüllt – „wenn die Prüfung des Verhaltens des Drittstaatsangehörigen während der Haft ergibt, dass er nicht bei der Durchführung der Abschiebung kooperiert hat und dass diese wegen dieses Verhaltens wahrscheinlich länger dauern wird als vorgesehen“ (Rz 85 des genannten Urteils; zur gebotenen richtlinienkonformen Interpretation des § 80 Abs. 4 Z 4 FPG, siehe auch VwGH 15.12.2020, Ra 2020/21/0404).
Das BVwG habe in den vorliegenden Fällen das Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft und die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung festgestellt, ohne aber die konkrete Kausalität eines – während der Anhaltung gesetzten – Verhaltens des Beschwerdeführers für die nicht erfolgte Abschiebung und die dadurch bewirkte Verlängerung der Schubhaft darzulegen. Zudem sei die Verzögerung der Abschiebung in den konkreten Fällen letztlich darauf zurückzuführen gewesen, dass auf Grund der COVID-19 bedingten Flugverkehrsbeschränkungen keine Charterabschiebeflüge nach Afghanistan durchgeführt wurden.
Bearbeitet von: Dr. Martina Lais