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BVwG: Abweisung des Status des Asylberechtigten – Syrien


„[…] ausgeführt, dass es dem Beschwerdeführer als männlichem, im wehrdienstpflichtigen Alter befindlichem Syrer mit Aufenthalt außerhalb Syriens offenstehe, sich als alternative Möglichkeit zur bloßen Verweigerung der Ableistung seines Wehrdienstes bei der SAA, die zur (unverhältnismäßigen) Strafverfolgung führen würde, durch Leistung einer im syrischen Wehrrecht vorgesehenen Befreiungsgebühr (ohne Pönalcharakter) von einer Einziehung zum Wehrdienst bei der SAA zuverlässig zu befreien. […] Nach Ansicht des BVwG unterstelle das syrische Regime dem „üblichen“ Wehrdienstverweigerer durch Ausreise und Aufenthalt im Ausland nach den näher zitierten Länderberichten grundsätzlich keine oppositionelle Gesinnung.“

Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger, reiste spätestens im April 2022 unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 22.04.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.11.2022 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen und ihm der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Syrien gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zuerkannt. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 25.08.2023, W282 2264777-1/7E, hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ab.

Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, dass der sich im wehrpflichtigen Alter befindliche Beschwerdeführer seinen Wehrdienst bei der syrischen Armee noch nicht abgeleistet habe und auch noch keiner Musterung unterzogen worden sei. Der Beschwerdeführer habe auch kein Militär- bzw. Wehrdienstbuch erhalten und keinen Einberufungsbefehl bekommen, weil er sich von 2011 bis zu seiner endgültigen Ausreise im Jahr 2021 in Gebieten aufgehalten habe, die nicht vom syrischen Regime kontrolliert worden seien. Der Beschwerdeführer weise keine glaubhaft verinnerlichte politische Überzeugung gegen das syrische Regime oder gegen den Dienst an der Waffe an sich auf. Er habe auch keine als oppositionell anzusehenden Handlungen gesetzt, die ihn mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit glaubhaft in das Blickfeld des syrischen Regimes gebracht hätten. Das Heimatdorf des BF, welches sich nahe der Stadt Abu Kamal vor der irakischen Grenze befinde, werde von den syrischen Streitkräften (SAA) und deren Verbündeten kontrolliert.

Beweiswürdigend wurde festgehalten, dass beim Beschwerdeführer grundsätzlich – soweit es die Sachverhaltsebene betreffe – die maßgebliche Wahrscheinlichkeit bestünde, dass dieser bei einer Rückkehr nach Syrien in seine Herkunftsregion entweder bei seiner Einreise an einem Grenzübergang des syrischen Regimes oder bei einem Checkpoint in seinem Herkunftsort, einer Kontrolle durch syrische Behörden unterworfen sei, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Feststellung seiner bisherigen Nicht-Ableistung des Grundwehrdienstes bei der SAA führen würde. Eine verinnerlichte politische Überzeugung gegen das syrische Regime oder gegen den Dienst an der Waffe habe der BF nicht glaubhaft gemacht, zumal er selbst angegeben habe niemals politisch aktiv gewesen zu sein und sich nicht aufgrund einer inneren Einstellung politisch gegen das syrische Regime in einer für das Regime wahrnehmbaren Weise betätigt zu haben.

In der rechtlichen Beurteilung wurde ausgeführt, dass es dem Beschwerdeführer als männlichem, im wehrdienstpflichtigen Alter befindlichem Syrer mit Aufenthalt außerhalb Syriens offenstehe, sich als alternative Möglichkeit zur bloßen Verweigerung der Ableistung seines Wehrdienstes bei der SAA, die zur (unverhältnismäßigen) Strafverfolgung führen würde, durch Leistung einer im syrischen Wehrrecht vorgesehenen Befreiungsgebühr (ohne Pönalcharakter), von einer Einziehung zum Wehrdienst bei der SAA zuverlässig zu befreien (s. ausführlich Pkt. 3.4.1.2.). Der BF sei sohin nicht zur Wehrdienstverweigerung bei der SAA gezwungen, um dem mit Ableistung des Wehrdienstes in eventu verbundenen Zwang zu Begehung von Kriegsverbrechen (Art. 9 Abs. 2 lit. e) StatusRL) bzw. einer unverhältnismäßigen Strafverfolgung bei Verweigerung mit anschließenden asylrelevanten Haftbedingungen (Art. 9 Abs. 2 lit. c) StatusRL), zu entgehen. Darüber hinaus genügten weder alleine die Wehrdienstverweigerung, die Illegalität der Ausreise aus Syrien, ein längerer Auslandsaufenthalt, ein Antrag auf internationalen Schutz im Ausland, noch die Herkunft aus einer von der Regierung als oppositionsgeprägt erachteten Region, um für sich alleine genommen, losgelöst von den individuellen Umständen des Einzelfalls bei einer hypothetischen Rückkehr nach Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung wegen zugeschriebener politischer Einstellung anzunehmen. Dabei wurde insbesondere auch auf die Entscheidungen deutscher Verwaltungsgerichte verwiesen (s. Pkt. 3.4.2.2.1.). Sofern – wie im gegenständlichen Fall – keine glaubhaften Hinweise auf das Vorliegen einer tatsächlich verinnerlichten politischen Gesinnung bestünden, sei die Unterstellung einer politischen Überzeugung durch das syrische Regime zu prüfen. Nach Ansicht des BVwG – in Übereinstimmung mit den deutschen Verwaltungsgerichten – unterstelle das syrische Regime dem „üblichen“ Wehrdienstverweigerer durch Ausreise und Aufenthalt im Ausland nach den näher zitierten Länderberichten (Pkt. 3.4.2.2.3) grundsätzlich keine oppositionelle Gesinnung. Das werde auch dadurch unterstrichen, dass das syrische Regime eine legale Möglichkeit für wehrpflichtige Syrer geschaffen habe, eine Befreiungsgebühr vom Wehrdienst zu bezahlen, obwohl es gegen tatsächlich Oppositionelle extrem hart und brutal vorgehe. Es scheine nicht nachvollziehbar, dass das syrische Regime diese Möglichkeit einem Personenkreis einräumen sollte, wenn es diesen für oppositionell gesinnt halte.

Das BVwG erkenne somit keinen Konnex zwischen den drohenden Verfolgungshandlungen des Art. 9 Abs. 2 lit. b), c) bzw. e) StatusRL und dem Verfolgungsgrund einer von der syrischen Regierung unterstellten politischen Überzeugung iSd Art. 10 Abs. 1 lit. e) StatusRL.

Dem Beschwerdeführer sei daher gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten nicht zuzuerkennen gewesen.

Bearbeitet von: Mag.ª Yasmin Ponesch


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