Die beschwerdeführende Partei, ein Staatsangehöriger der Republik Kongo, hatte im Februar 2023 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Diesen begründete er u.a. damit, wegen regierungskritischer Äußerungen bedroht, inhaftiert und gefoltert worden zu sein. Das BVwG hielt das Vorbringen des Beschwerdeführers für unglaubwürdig und stützte dies im Wesentlichen auf eine (im Hinblick auf den Zeitpunkt der erfolgten Bedrohung) späte Ausreise des Beschwerdeführers sowie darauf, dass der (erst) im Beschwerdeverfahren vorgelegte Haftbefehl nicht aussagekräftig sei. Die Echtheit und Richtigkeit des Haftbefehls könnten nicht festgestellt werden, weil es „in afrikanischen Ländern wie der Republik Kongo praktisch für jede Urkunde und jedes Dokument professionelle Fälschungen [gebe] und selbst bei echten Dokumenten […] nicht von der inhaltlichen Richtigkeit ausgegangen werden [könne], da Dokumente leicht gekauft werden könn[t]en“. Diese Annahme wurde vom BVwG nicht näher begründet.
Der VfGH hält zunächst fest, dass die Vermutung des BVwG, dass der vorgelegte Haftbefehl nicht auf seine Echtheit geprüft werden könne, das BVwG nicht von jeglicher Ermittlungstätigkeit in dieser Hinsicht befreit (unter Verweis auf VfGH 28.11.2019, E 3555/2019 betreffend ein iranisches Gerichtsurteil). Vielmehr ist auch das BVwG zur Durchführung der in § 18 Abs. 1 erster Satz AsylG 2005 vorgesehenen Ermittlungen verpflichtet. Dennoch hat das BVwG zumutbare entsprechende Ermittlungen, wie insbesondere die Einholung eines Sachverständigengutachtens oder die Durchführung von Erhebungen zur Frage, ob und wenn ja, wie häufig Urkundenfälschungen in der Republik Kongo vorkommen, unterlassen. In diesem Zusammenhang betont der VfGH zudem, dass das BVwG seine Annahme mangelnder Echtheit und Richtigkeit des Haftbefehls weder ausdrücklich auf konkrete Quellen gestützt hatte noch den herangezogenen Länderberichten entsprechende Informationen zu entnehmen waren.
Die Unterlassung einer näheren Auseinandersetzung mit der Echtheit und Richtigkeit des vorgelegten Haftbefehls belastete die angefochtene Entscheidung daher im vorliegenden Fall mit Willkür, zumal die mangelnde Glaubhaftigkeit des Fluchtvorbringens wesentlich darauf gestützt war.
Bearbeitet von: Dr.in Martina Lais