Recht und Wissenschaft in Österreich

BVwG: Zuerkennung des Status des Asylberechtigten – China (Uiguren)


Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass die chinesischen Behörden Angehörige ethnischer Minderheiten – sofern sie nach chinesischem Verständnis als „Separatisten“ in Erscheinung treten oder für die Rechte der muslimischen Minderheit der Uiguren eintreten – als „Terroristen“ einstufen.

Der Beschwerdeführer, ein chinesischer Staatsangehöriger aus der Provinz Xinjiang, ist Angehöriger der uigurischen Volksgruppe und der muslimischen Religion zugehörig.

Das Bundesverwaltungsgericht stellte in seinem Erkenntnis vom 30.08.2021, W168 2215642-1/21E, fest, dass der Beschwerdeführer seit seinem Verlassen der Volksrepublik China aufgrund seiner glaubhaften inneren Überzeugung wiederholt öffentlich exilpolitisch in Erscheinung getreten sei, indem dieser dokumentiert auch in Österreich an Demonstrationen (unter anderem auch vor der chinesischen Botschaft in Wien) betreffend die Situation der Uiguren im Herkunftsstaat teilgenommen und sich hierbei für die Freiheit und Unabhängigkeit der Uiguren ausgesprochen habe.

Vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen könne nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass die chinesischen Behörden, insbesondere bei Angehörigen ethnischer Minderheiten, sofern sie nach chinesischem Verständnis als „Separatisten“ in Erscheinung treten, oder bei einem Eintreten für die Rechte der muslimischen Minderheit der Uiguren als „Terroristen“ eingestuft werden, diesen Personen bei einer Rückkehr besondere Aufmerksamkeit widmen und eine besondere Überwachung oder Gerichtsverfahren einleiten würden. Hiervon könnten auch Personen betroffen sein, die etwa Handlungen im Ausland öffentlich gegen die aktuelle Politik der Volksrepublik China gezeigt oder gesetzt hätten.

Es bestehe daher aus diesem Grund aktuell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in die Volksrepublik China die asylrelevante Gefahr, dass der Beschwerdeführer als Angehöriger der muslimischen Minderheit der Uiguren und aus Xinjiang stammend aufgrund der Unterstellung einer separatistischen oder oppositionellen (feindlichen) Gesinnung eine ihn unmittelbar und konkret betreffende asylrelevante Bedrohung von staatlicher Seite zu befürchten habe. Eine innerstaatliche Fluchtalternative stehe dem Beschwerdeführer nicht zur Verfügung.

Aus diesen Gründen erscheinen die Befürchtungen des Beschwerdeführers, dass dieser bei einer Rückkehr zumindest eine (Nach)verfolgung wegen oppositioneller oder feindlicher politischer Betätigung aufgrund seines Eintretens für die Rechte der Minderheit der Uiguren im Ausland durch die chinesischen Behörden zu befürchten habe, bzw. diesem aufgrund eines ihm unterstellten separatistischen Verhaltens strafrechtlichen Konsequenzen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohen würden, in Übereinstimmung mit den aktuellen Länderberichten und Informationen zur Situation der Minderheit der Uiguren jedenfalls nachvollziehbar, unmittelbar und konkret.

Vor dem Hintergrund des Bestehens schwerer Menschenrechtsverletzungen im Falle unterstellter feindlicher Gesinnung sei auch die hinreichende asylrelevante Schwere dieser möglichen Menschenrechtsverletzungen durch das Persönlichkeitsprofil des Beschwerdeführers und die Besonderheiten der Lage in der Volksrepublik China eindeutig indiziert.

Dem Beschwerdeführer sei daher der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen gewesen.

Zusammengefasst von: Mag.ª Annika Verena Zopf


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