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Subsidiärer Schutz für Söldner-Chef Jewgeni Prigoschin? Zugleich ein Beitrag zur Problematik des absoluten Refoulementverbotes (Teil II)

18. August 2023 in Beiträge
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Tags: Gruppe Wagner, Non-Refoulement, Russland, Söldner, Ukraine

Mag. Moritz Hessenberger

Mag. Moritz Hessenberger ist aktuell als juristischer Mitarbeiter am Bundesverwaltungsgericht in der Kammer A sowie als Redaktionsmitglied von Blog Asyl tätig. Daneben dissertiert er im Bereich des Strafrechts an der Universität Wien.


Nachdem bereits in Teil I erörtert worden ist, dass der Chef der Söldner-Gruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, wohl einen Asylausschlussgrund gesetzt hat, gilt es nun zu klären, ob ihm im Falle der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz in Österreich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wäre.

1. Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten

Gem. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1) oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde (Z 2).

Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist gem. § 8 Abs. 2 AsylG 2005 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 AsylG 2005 zu verbinden.

Sofern Prigoschin bei seiner Antragstellung vorbringen würde, im Falle einer Rückkehr nach Russland gefoltert bzw. umgebracht zu werden, würde dies für ihn zweifellos eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 bzw. Art. 3 EMRK darstellen, weshalb ihm an sich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wäre.

2. Vorliegen eines Aberkennungsgrundes

Gem. § 8 Abs. 3a AsylG 2005 hat jedoch, sofern ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gem. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 oder aus den Gründen des § 8 Abs. 3 oder Abs. 6 AsylG 2005 abzuweisen ist, eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gem. § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn einer der in Art. 1 Abschnitt F GFK genannten Gründe vorliegt (Z 1), der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt (Z 2) oder der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist, wobei einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten ist, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht (Z 3). Diesfalls ist die Abweisung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

2.1. Wie bereits in Teil I näher dargelegt, hat Prigoschin zumindest die in Art. 1 Abschnitt F lit. a und b GFK genannten Gründe verwirklicht, weshalb er gem. § 9 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 von der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ausgeschlossen ist.

2.2. Ob der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 darstellt, erfordert eine Gefährdungsprognose, wie sie in ähnlicher Weise auch in anderen asyl- und fremdenrechtlichen Vorschriften, etwa in § 6 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005, zugrunde gelegt ist (siehe dazu etwa VwGH 22.10.2020, Ra 2020/20/0274). Wie ebenfalls bereits in Teil I näher dargelegt, ist eine abschließende Beurteilung, ob Prigoschin diese Voraussetzungen erfüllt, a priori nicht möglich, sondern wäre von seinem Verhalten nach einer hypothetischen Einreise nach Österreich abhängig.

2.3. Nach der jüngeren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist vor dem Hintergrund des Urteils des EuGH in der Rechtssache C-369/17, Ahmed, bei der Anwendung des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 – welcher nach der Intention des Gesetzgebers die Bestimmung des Art. 17 Abs. 1 lit. b StatusRL umsetzt – jedenfalls auch eine Einzelfallprüfung durchzuführen, ob eine „schwere Straftat“ im Sinne des Art. 17 Abs. 1 lit. b StatusRL vorliegt. Dabei ist die Schwere der fraglichen Straftat zu würdigen und eine vollständige Prüfung sämtlicher besonderer Umstände des jeweiligen Einzelfalls vorzunehmen. Da zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beitrags keine Informationen dahingehend vorliegen, dass Prigoschin in Österreich oder einem anderen Staat rechtskräftig verurteilt wäre, erfüllt er die Bestimmung des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 schon deshalb nicht.

3. Als Zwischenfazit ist somit festzuhalten, dass der Söldner-Chef den Aberkennungsgrund des § 9 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 verwirklicht hat, weshalb er von der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ausgeschlossen wäre. Nach der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beitrags in Österreich geltenden Rechtslage wäre somit gem. § 8 Abs. 3a AsylG 2005 die Abweisung seines Antrags mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet wäre daher in der Folge gemäß § 46a Abs. 1 Z 2 FPG ex lege geduldet (siehe dazu VwGH 26.04.2017, Ra 2017/19/0016). Durch die Erlassung einer Rückkehrentscheidung wäre aber jedenfalls klargestellt, dass sich Prigoschin unrechtmäßig in Österreich aufhalten würde (vgl. § 31 Abs. 1a Z 3 FPG).

4. Der Söldner-Chef könnte jedoch für seine in der Ukraine angeordneten bzw. begangenen Verbrechen in Österreich strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Denn gem. § 64 Abs. 1 Z 4c StGB gelten die österreichischen Strafgesetze unabhängig von den Strafgesetzen des Tatorts für im Ausland begangene strafbare Handlungen nach dem fünfundzwanzigsten Abschnitt (Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen), wenn der Täter zur Zeit der Tat Ausländer war und entweder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat oder sich in Österreich aufhält und nicht ausgeliefert werden kann.

5. Neue Entwicklungen durch den EuGH

Der EuGH hat allerdings erst kürzlich festgehalten (EuGH 06.07.2023, C-663/21, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl/AA), dass Art. 5 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger dahin auszulegen ist, dass er dem Erlass einer Rückkehrentscheidung gegen einen Drittstaatsangehörigen entgegensteht, wenn feststeht, dass dessen Abschiebung in das vorgesehene Zielland nach dem Grundsatz der Nichtzurückweisung auf unbestimmte Zeit ausgeschlossen ist.

Im Falle von Prigoschin wäre genau eine solche Konstellation gegeben, denn eine gefahrlose Rückkehr wäre für ihn allenfalls erst nach einem Regimewechsel in Russland möglich. Es bleibt daher abzuwarten, wie der Verwaltungsgerichtshof bzw. in weiterer Folge womöglich der österreichische Gesetzgeber auf die durch den EuGH nunmehr klargestellte Rechtslage reagieren werden.

6. Fazit

Es zeigt sich somit, dass auch potentiellen Kriegsverbrechern das absolute Refoulementverbot zu Gute kommt. Es könnte somit die paradoxe Situation entstehen, dass sowohl Personen, die vor den russischen Gräueltaten fliehen, als auch Personen, die für diese  Taten verantwortlich sind, in Österreich aufhältig sind und nicht abgeschoben werden können. Sollte dieses Szenario als unbefriedigend empfunden werden, müsste man sich mit der Frage auseinandersetzen, wie die Rechte eines Kriegsverbrechers nach Art. 2 bzw. Art. 3 EMRK in anderer Form gewährleistet werden könnten. Die österreichischen Behörden könnten jedoch zumindest ein Strafverfahren gegen Prigoschin einleiten.


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