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VfGH: Nicht-Zuerkennung subsidiären Schutzes und Rückkehrentscheidung betreffend einen syrischen Staatsangehörigen im konkreten Einzelfall verfassungsrechtlich vertretbar


Mit Erkenntnis vom 2. Oktober 2024, E 3587/2023, hat der VfGH die Beschwerde eines syrischen Staatsangehörigen abgewiesen, dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, gegen den eine Rückkehrentscheidung erlassen und dessen Abschiebung für zulässig erkannt worden war. Das BVwG hat aus Sicht des VfGH vor dem Hintergrund der Länderberichte und der konkreten individuellen Umstände des Beschwerdeführers vertretbar begründet, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Syrien (insbesondere) keine reale Gefahr einer Verletzung in seinen Rechten gemäß Art. 2 und 3 EMRK droht.

Der Beschwerdeführer ist in der Stadt Damaskus geboren und aufgewachsen. Nach Abschluss seines Studiums in Damaskus im Jahr 2017 reiste er in den Libanon und von dort weiter nach Russland, sodann in den Sudan, den Irak und in die Türkei. Anfang August 2020 reiste er von der Türkei aus nach Griechenland und über Serbien weiter nach Österreich, wo er im April 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Über diesen Antrag entschied das BFA im Oktober 2022 vollinhaltlich negativ. Die dagegen erhobene Beschwerde hat das BVwG im Oktober 2023 abgewiesen. Begründend führte das BVwG zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers aus, dass sich dieser zuverlässig durch Leistung einer – ihm nach seinen Verhältnissen auch zumutbaren – Befreiungsgebühr vom Wehrdienst befreien lassen könne und auch keine besonderen Umstände für die Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung durch das syrische Regime bestünden. Hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten verwies das BVwG auf die Sicherheitslage in der Stadt Damaskus sowie darauf, dass er über einen Universitätsabschluss und Berufserfahrung verfüge und von seiner – wohlhabenden – Familie unterstützt werden könne. Vor diesem Hintergrund ging das BVwG davon aus, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr nach Syrien ohne Gefahr einer Verletzung seiner Rechte nach Art. 2 oder 3 EMRK möglich sei.

In seiner Beschwerde an den VfGH brachte der Beschwerdeführer mit näherer Begründung Willkür sowohl bei der Begründung der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten vor.

Der VfGH konnte zunächst in der Beweiswürdigung des BVwG zur Frage der Asylrelevanz des Vorbringens des Beschwerdeführers keinen in die Verfassungssphäre reichenden Mangel erkennen.

Hinsichtlich der Nicht-Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten hält der VfGH zunächst fest, dass das BVwG unter Zugrundelegung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation zu Syrien, Version 9, vom 17. Juli 2023, in nachvollziehbarer und nach Regionen (insbesondere hinsichtlich der Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen) differenzierender Weise von einer – im Hinblick auf das Risiko einer Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Gefahr – stabilen Sicherheitslage in der Stadt Damaskus, dem Herkunftsort des Beschwerdeführers ausgeht. Ob dem BVwG bei dieser Beurteilung nicht in die Verfassungssphäre reichende Fehler unterlaufen sind, hat der VfGH nicht zu beurteilen (dazu wird im Erkenntnis insbesondere auch auf VwGH 25.6.2024, Ra 2024/18/0151, Rn 22 ff. verwiesen – s. dazu näher hier).

In Bezug auf die Versorgungslage in Damaskus hält der VfGH fest, dass das BVwG unter Verweis auf die aktuellen Länderinformationen und die individuelle Situation des Beschwerdeführers davon ausgeht, dass dieser in Damaskus nicht in eine existenzbedrohende Lage geraden würde. Das BVwG berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer aus einer wohlhabenden Familie stammt, die in Damaskus im Haus der Familie wohnt und von den Geschwistern des Beschwerdeführers, die in Deutschland, England, Frankreich und der Türkei leben, unterstützt wird. Nach Ansicht des VfGH begründet das BVwG daher nachvollziehbar, dass die dargestellten Umstände im Lichte einer Gesamtbetrachtung die Annahme rechtfertigen, dass der Beschwerdeführer in der Stadt Damaskus in der Lage sein wird, seine Existenz zu sichern. Dem BVwG kann daher – im konkreten Fall – nicht entgegengetreten werden, wenn es davon ausgeht, dass dem Beschwerdeführer keine reale Gefahr einer Verletzung in seinen Rechten gemäß Art. 2 und 3 EMRK im Fall seiner Rückkehr droht.

Schließlich erweist sich das Erkenntnis des BVwG aus Sicht des VfGH auch hinsichtlich der Rückkehrentscheidung bzw. deren Vereinbarkeit mit Art. 8 EMRK als verfassungsrechtlich vertretbar begründet.

Im Ergebnis hält der VfGH fest, dass weder die in der Beschwerde behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte stattgefunden hat noch im Verfahren vor dem VfGH hervorgekommen ist, dass der Beschwerdeführer in anderen entsprechenden Rechten verletzt wurde, und auch die angewendeten Rechtsgrundlagen unbedenklich sind. Er weist außerdem darauf hin, dass dieses Ergebnis die Vollzugsbehörde nicht von ihrer Verpflichtung entbindet, bei der Durchführung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme Art. 3 EMRK (insbesondere im Hinblick auf die aktuelle Sicherheits- und Versorgungslage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers) zu beachten.

Bearbeitet von: Dr.in Martina Lais


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