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VfGH: Willkür durch Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz und Erlassung einer Rückkehrentscheidung betreffend eine politisch aktivistische Transgender-Person aus der Volksrepublik China


Mit Erkenntnis vom 16. September 2014, E 1046/2024, hat der VfGH der Beschwerde einer trans*Frau mit chinesischer Staatsbürgerschaft stattgegeben, da das BVwG sich nicht hinreichend mit eigenen wesentlichen Ermittlungsergebnissen (insbesondere zur Meinungs- und Pressefreiheit und zur Situation von Personen, die sich für LGBTIQ-Angelegenheiten einsetzen) in der Volksrepublik China auseinandergesetzt bzw. aus diesen Schlüsse gezogen hat, die mit den Ermittlungsergebnissen nicht denkmöglich vereinbar sind.

Die beschwerdeführende Person ist eine trans*Frau, die Anfang November 2021 auf dem Luftweg nach Österreich eingereist war und am Flughafen Wien-Schwechat einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte. Im Asylverfahren brachte sie u.a. vor, auf Grund ihrer Sexualität geflüchtet zu sein, da ihr ein normales Leben in der VR China nicht möglich sei. Zudem engagiere sie sich seit ihrer Flucht (im Internet, insbesondere in sozialen Medien) politisch gegen die autoritäre Führung Chinas. Das BFA hat den Antrag sowohl hinsichtlich Asyl als auch hinsichtlich subsidiären Schutzes abgewiesen, keine Aufenthaltsberechtigung besondere Schutz erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie festgestellt, dass die Abschiebung der beschwerdeführenden Partei in ihren Herkunftsstaat zulässig ist und ihr eine Frist für die freiwillige Ausreise gesetzt. Die dagegen erhobene Beschwerde hat das BVwG abgewiesen.

Das BVwG stellte in seinem Erkenntnis fest, dass es sich bei der beschwerdeführenden Person um eine trans*Frau handle, ging aber unter Verweis auf deren Vorbringen und die Länderinformationen zur VR China davon aus, dass keine konkreten überzeugenden Anhaltspunkte für eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Bedrohung der beschwerdeführenden Person in ihrem Herkunftsstaat vorlägen, zumal bislang keine Verfolgungshandlungen gesetzt worden seien. Auch eine drohende Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK sei zu verneinen. Wenngleich durchaus die Möglichkeit bestehe, dass die beschwerdeführende Person als trans*Frau Alltagsdiskriminierungen erfahren werde, reichten derartige unangenehme Erfahrungen (die auch in Österreich nicht unwahrscheinlich seien) nicht aus, um von einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK auszugehen.

In der Beschwerde an den VfGH brachte die beschwerdeführende Person u.a. vor, dass Mitglieder der LGBTIQ-Gemeinschaft in der VR China nur im Verborgenen leben könnten, da es de facto ausgeschlossen sei, die wahre Identität offen auszuleben. Im Fall der beschwerdeführenden Person komme hinzu, dass ihre Lebensweise auch Teil ihrer politischen Aktivitäten sei und sie sich für die Rechte dieser unterdrückten Minderheit einsetzen wolle. Während sie ihre Identität in ihrem Herkunftsstaat im Verborgenen gelebt habe, habe sie sich in Österreich offen dazu bekannt und sei diese Identität nunmehr auch Teil ihrer politischen Aktivität. Auf Grund dieses öffentlichen Bekenntnisses zu einem Leben als trans*Frau habe sie im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat jedenfalls mit Übergriffen zu rechnen.

Der VfGH weist zunächst darauf hin, dass das BVwG von der Glaubhaftigkeit der Geschlechtsidentität der beschwerdeführenden Person ausgeht und auch feststellt, dass es sich bei ihr um eine trans*Frau handelt. In der Folge zitiert der VfGH Passagen aus den Länderfeststellungen des BVwG-Erkenntnisses zur Meinungs- und Pressefreiheit in der Volksrepublik China und weist auf die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens des BVwG hin. Der VfGH hält fest, dass das BVwG selbst ein Anhalten von rigiden Kontrollen und Beschränkungen der Meinungsfreiheit im Internet festgestellt habe. Auch würden die Behörden zahlreiche Personen auf Grund ihrer regierungskritischen Online-Posts und privaten Chat-Nachrichten sogar inhaftieren, jedenfalls jedoch verfolgen. Zudem würden öffentliche Veranstaltungen von LGBTIQ-Organisationen nicht erlaubt und berichteten Einzelpersonen und Organisationen, die sich für LGBTIQ-Angelegenheiten einsetzten, weiterhin über Diskriminierung und Belästigung durch die Behörden.

Ausgehend davon kommt der VfGH zum Ergebnis, dass – vor dem Hintergrund des Vorbringens der beschwerdeführenden Person – gerade nicht gefolgert werden kann, dass die beschwerdeführende Person im Fall ihrer Rückkehr bloß Alltagsdiskriminierungen ausgesetzt sein werde und ein reales Risiko einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung für die Zukunft ausgeschlossen werden könne. Zudem weist der VfGH auf seine Rechtsprechung hin, wonach in Anknüpfung an Entscheidungen des EuGH nicht erwartet werden kann, dass ein Asylwerber in seinem Herkunftsland seine Homosexualität geheim hält, um eine Verfolgung zu vermeiden und hält fest, dass diese Rechtsprechung auf eine Transgender-Person übertragbar ist. Da das BVwG insofern bei seiner Entscheidung Willkür geübt hat, wurde die beschwerdeführende Person im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung Fremder untereinander verletzt.

Zur angesprochenen Rechtsprechung des VfGH betreffend die Geheimhaltung von Homosexualität siehe auch die Blogbeiträge vom 9. November 2023 und vom 14. November 2023.

Bearbeitet von: Dr. Martina Lais


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